Sesam öffne dich- Berliner Bäder und ihre zig Schließsysteme

Es sind zwar nicht 40 Schließsysteme, aber manche rauben den geneigten Gästen durchaus mal den Nerv.

Es war einmal die Idee einer Corporate Identity für die Schwimmbäder innerhalb der Stadtgrenzen.

Wir schrieben das Jahr 1996 als aus einer Idee die Realität werden sollte.

Gründung der Berliner Bäderbetriebe AöR

Nach mehr als 1001 Badetag ist mittlerweile klar, sie existiert nicht, die Corporate Identity, nur die Märchen, die sind geblieben. Aber das ist eine andere Geschichte. Hier geht es um Spinde, Bändchen,  Wertfächer, Kabinen, Wege und Co.

Es gibt sie, die wirklich praktischen Abläufe in Berliner Schwimmbädern. Dort, wo du vom Eingang über ein logisches Wegesystem ins Wasser kommst.

Ohne Umwege vom Drehkreuz, immer der Nase nach durch den Gang, durch die Tür, in die Umkleide, an den Spind, durch die Dusche, ans Schwimmbecken.

Einfach.

Wir wären nicht in Berlin, wenn es überall so einfach wäre.

Das Labyrinth aus Wertfächern am Eingang, Kabinen ums Eck,  Spinden bei Umkleiden und Wertfächer am Beckenrand. Spinde am anderen Ende des Schwimmbads weit entfernt von Duschen und Co.

Irrwege

Dir wird gesagt, natürlich nur auf Nachfrage, du brauchst eine 2 Euro Münze. Meist ist der Erstbesuch verbunden mit der Feststellung, dass deine 1 Euro Münze hier nicht geht , wenn  du dich halbnackt vor dem Schließsystem befindest und zurück musst durch die Gänge.

Den Wechselvorgang erledigt  an der Kasse, gern mal begleitet von übel launigen Kassierer*innen, gehst du in die Gänge, versuchst dich zu orientieren, um nicht beim 'falschen' Geschlecht und irgendwie bei deinem Zeug in der Kabine zu landen. Glücklich und zufrieden im Schwimmdress lurst du nun zu der für dich ausgewiesenen Dusche. Findest nach dem Erlebnis mit heiß, kalt, gar nix, die Tür und stehst am Schwimmbecken an dem sich Wertfächer befinden, die für dein Zeug ausgereicht hätten und mit deinem 1 Euro Münzlein nutzbar gewesen wären.Oh du freundliche Kassenwartezeit.

Der ausgesuchte Schlüssel

Morgens, halb sieben in Berlin. Kommst du aus dem Dunkel ins Licht des leuchtenden Schwimmbads. Deine Pfandmünze und Eintrittskarte schon in der Hand, du bist vorbereitet, hast ja nur eine Stunde Frist, die dir erlaubt, hier Gast zu sein.

Ein "guten Morgen" Gruß wird erwidert und dann hältst du, ganz der Profi, deine Sammel, Jahreskarte an den Automaten, da schallt es: "Halt, wohin des Wegs, werter Schwimmgesell" Du wunderst dich, woher das Stimmlein kommt. Aus dem Ufo, rund, verglast, bereit zum abheben. Es bleibt aber am Boden.

Dort wo eben  dein Morgenbrumm erwidert wurde, sitzt sie. Die Stimme. Du lässt dir nun erklären, dass man den Schlüssel hier- und nur hier- ausgehändigt bekommt. Nix mit freie Auswahl der Spinde und Entfernung zu Dusche und Toilette. Diesen Schlüssel, das wird dir erklärt, musst du nachher wieder mitbringen. Du trottest in die Gänge suchst die Nummer, Trick 46 ist dir noch nicht geläufig. Nach oben schauen. Nicht geradeaus. Nach oben. Du siehst Kabine, Spind, ziehst dich um. Und dann gehts los. Gibt nur zwei Optionen, klar, dass du erstmal falsch abbiegst. Zwei Duschräume zur Auswahl, heiß, kalt, zack, die Tür mit voller Kraft ziehen, stehst du vor dem Schwimmbecken. So nach drei, vier Besuchen merkst du dir, die Haken für deine Tasche findest du mit einer eleganten Drehung gleich links neben der Tür. Der Schlüssel ist der größte den du dir umbinden kannst. Er klickt so schön auf deinen Handrücken beim schwimmen. Überhaupt, die Schlüssel sind nochmal ein Thema für sich.

Jede Wette, die ersten Male lässt du den Schlüssel stecken und musst zurück..

Morgens um sieben ist eine Welt ohne Schwimmbadordnung

Nach deinen Erfahrungen bist du nun vorsichtiger. In deiner Tasche befinden sich eine 1 und eine 2 Euro Münze. Außerdem hast du nun die Föhne schon mal kennengelernt. Du bis dem 5 Cent und dem 10 Cent Modell begegnet. Geld rein, Luft raus.

Du trittst also nicht direkt an den Automaten, sondern stellst dich brav in die Kassenschlange. Schlau, denn im Internet hast du gelesen, dass du hier ein Schloss mitbringen musst. Nur, woher kriegen, morgens um sieben.

Also Karte eingesteckt und schon nach 30 Minuten Wartezeit stehst du vor der Kassiererin. Sie erklärt dir "EC Karte funkssioniiiert nich, nur Baret". Aus deiner Tasche kratzt du 8 Euro zusammen (das war dein Pommes Cola..äh Bärlauchgemüse Möhrensaft Geld, du wirst also darben müssen. Der klebrige Proteinriegel der sich bei deiner Suche angefunden hat, hat seine besten Zeiten hinter sich). Kaufst für 8 Euro ein Schloss. Und begibst dich nicht ans Schwimmbecken. Du gehst auch nicht über Los, sondern Klos und bekommst deine 8000 Cent auch nicht zurück, wenn du aus  den prinzlichen Umkleidetrakten in die Dusche gehuscht, dann über Mensch und Tuch zum  Wasser gehst.

All in- biste drin

Du bist fast angekommen in der Berliner Bäder Badewelt. Auf dem Weg in ein Sommerbad an deinem freien Tag. Es ist morgens, halb 10 in Berlin, 16 Grad.

Nunmehr mit dem Schloss aus Gold (mindestens, denn was dir für dieses Geld verkauft wurde, gibts im Baumarkt für 3 Euro, daher muss ein Geheimnis drin stecken. Oder Gold) und den zwei Münzen ausgestattet. In deinem Rucksack befindet sich außerdem eine Tupperdose mit belegten Broten, ein Plastikmesser und ein Apfel, eine Banane,zwei Schokoriegel). Ein Etui mit Münzauswahl für trockene Haare.

Kaum jemand steht um diese Uhrzeit an der Kasse, nur das Sicherheitspersonal. Und das hat es auf dich abgesehen. Alles auspacken. Münzen, Dose, Schlüpfer. Der Herr vom Sicherheitsdienst öffnet deine Kosmetiktasche. Schön, dass er jetzt deine Tampongröße und Marke kennt, kann er ja vielleicht demnächst mal aushelfen, wenn du was vergisst. Hoho, war der lustig...

Alles wieder eingepackt, außer das Plastikmesser. "Gefährliche Waffe, verboten". Es wurde konfisziert. Egal, dass dein gekauftes 8 Euro Schloss besser geeignet wäre, um jemanden zu erschlagen als so ein Plastikmesser. Also kein Apfel heute. Die Banane hat den Druck des Muskelmannes auch nicht heil überstanden. Du schielst zur Pommesbude, noch nicht geöffnet (und auch später nicht, erwartbare Öffnungszeiten gibbs nich. Is Berlin, ne!)

Du folgst deiner Intuition, gehst rechts, findest Umkleide, Kabine und schließt dein Zeug ein. Goldschloss! Frierst ein wenig,  auf dem langen Weg der Duschsuche. Heiß ist nicht, warm ,dann kalt. Dann geradeaus. Schwimmbecken winkt. Und Spinde direkt am Beckenrand. Mit  1 Euro Pfand Münze.

Rundgang, deine Neugier ist geweckt. Hier gibt es fast alles, außer 2 Euro. Sammelspinde, also Einzelkabinen, Spinde für alle. Mit 1 Euro Pfand. Schloss System, dort wo du gelandet warst. Spinde mit 1 Euro Münze am Becken. Wenn ich dir jetzt noch sage, dass dein Weg später  von der Wiese zur Toilette nur halb so lang wäre, wenn du die sanitären Anlagen am Eingang, aber auf der anderen Seite,  kennen würdest...

Warum sagt niemand was? "Da is doch 'n Schild. Und da steht "Garderobe".

Jetzt wird es wild. Nach dem Schwimmen, unter der  Dusche, betreten  nacheinander drei verirrte Männer die Damendusche. Du, ganz Profi: ""Da is doch 'n Schild. Und da steht "Garderobe".

Vergiss das letzte Mal- es ist immer das erste Mal

wenn du ein Berliner Schwimmbad besuchst.

Dein Rucksack ist schwer, Schloss, Münzen, Proviant, Brille für die Schilder, die du sonst vielleicht übersiehst und ha, eine Taschenlampe. Denn hier warst du schon mal.

Und es war dunkel im Kabinenwald. Kein Wolf, aber eine Fledermaus hing an der Decke.

Durch das Drehkreuz,den Berg hoch, immer an der Wand lang. Rechts. Kleine Taschenlampe brenn....

Ins Orange  der 1970 er Jahre. Oder 80 er? Egal, System der Nummerierung gibt es hier nicht, 245 neben 378 usw,  aber, du bis ja jetzt Profi. Für dein Handy und Fahrkarte reichen die 1 Euro Pfand Wertfächer draußen. Weit weg von jeder Aufsicht, aber immerhin nicht im Dunkel des Kabinenwalds.

Ab ins Schwimmgewand, 1 Euro Münze in der Hand und raus, an die Wertfächer. Schließsystem geändert.

"Draußen nur Schlösschen". Heißt, dort wo die Münze noch im letzten Jahr passte, muss es jetzt ein Schloss sein. Rucksack entpacken, denn das ist ganz unten, so will es das Gesetz. Dann los, rechts zum WC,  nochmal rechts zur Dusche.Kampf mit der Tür. Das ist noch wie im Jahr zuvor.  Wind rauscht durchs Dach, Vorsicht, verbrenn dich nicht an der Armatur, du erinnerst dich richtig. Die Zuleitung verbrennt dir die Haut. Und hier wurde nix geändert. Raus, trepp ab, ans Wasser. 25 Taschen, auch für deine ist noch ein Plätzchen frei. Keinen stört es. Ja, anderes Schwimmbad, selber Betreiber, anderes Gesetz.  Wie selbst kleine Taschen durchaus stören können, erzähle ich beim nächsten Mal

Der Kartentrick

Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen...äh, nein, das war irgendwie anders. Aber weit. Der Weg. Wie bei den Royals schreitest du eine breite Treppe rauf- ach nee, die schreiten die immer runter, das ist nicht so anstrengend. Glasfassade, aufgeräumt, hat schon mal jemand recherchiert, wie viele Schilder pro Schwimmbad mindestens aufgehängt werden müssen? Anders ist der Schilderwahn in einigen nicht zu erklären. Hier ist das anders. Nichts irritierendes. Ein warmer, freundlicher Gruß aus dem eckigen Haus (nicht aus Lebkuchen, leider, aber die Dame, zuckersüß zu Gästen). Gang runter, System einfach. Ein Raum wie ein Adventskalender. Nur Türen. Gefühlt. Vermutlich die schmalste existierende Bank die je eingebaut wurde vor den Spinden. Auch die schmal. Und hier stellst du fest, du bist wirklich in einem Berliner Bäderbetriebs Bad. Platz ist auf dem kleinsten Schild. Bebildert, lang wie breit, die Erklärung, wie du deine Münze einwerfen musst. Falls du die nachher unkompliziert wieder haben möchtest: lass es.  Mach es wie die Stammgäste.  Alte Eintrittskarte, Löcher reinstechen (Stellen abchecken am Spind) und Karte rein, Spind zu. Deine Handtuch-Seifen-Kosmetik Tasche kannst du, kostenfrei, in hübschen, sauberen Fächern am Beckenrand abstellen.

Königsklasse- wo das Personal dem Gast die Kemenate aufschließt

Du stehst vor einem wunderschönen Gebäude und beim Betreten fühlst du dich schon wie eine Prinzessin  von damals. Aber Vorsicht. Der Wartesaal ist sehr irdisch und hat was aus einem Bahnhof, nein aus vielen Bahnhöfen.

Trepp auf, Tür auf und wusch...Vor dir liegt das wohl schönste Schwimmbad Berlins. Schwitzend, in deiner warmen Jacke, genießt du den Anblick. Und richtig warm wird es dir, wenn die Mitarbeiter dich sehen. Sie kennen dich nicht und empfangen dich so, dass du dich wie  in einem Schloss fühlst. Erklärt wird, wie das hier abläuft. Nein, keine Angst. Du brauchst kein Schloss. Hier brauchst du nix. Nicht mal ein Schlüsselband wird dich stören. Die Kabinen, die seitlich am Rand sind, haben Nummern. Deine merkst du dir. Denn dein Prinzessinnengefühl kriegt hier Aufwind. Du schreitest am Becken entlang zur Dusche. Warm, wohlig, kalt. Gleitest ins Becken mit Vorsicht. Du weißt schon, "hier nur 30 cm tief" Nach deinem Schwimmprogramm wird dir ein*e Mitarbeiter*in aufschließen. Und keine Angst, du wirst nicht frieren und nicht warten. Die haben vermutlich alle viele Augen, sie sind schnell.

Und das waren noch lange nicht alle Schließsysteme. Da gibt es noch das Chipsystem. Moderner wird es nicht. Aber deine Sammel- oder Jahreskarte nutzt hier nix beim warten.

Dann gibt es 1 Euro Wertfächer am Eingang, Spinde weit weg gegenüber, Duschen noch weiter. Überhaupt. Kennt ihr die Kreisdusche? Also Popo an Popo im Kreis rumstehen ohne jeden Schamabstand? Ist ne andere Geschichte.


Die Bändchen. Sind euch schon mal die Zustände und Farben der Bändchen in Korrelation zu den Bädern aufgefallen?

Und dann diese Kabinen, die gleichzeitig Spind sind, fast immer erwischt man die mit Loch statt Schließsystem, kaputt. Und wenn man richtig Pech hat, sind trotz hohem Besucheraufkommen Gänge gesperrt, nicht weil dort jemand säubert, sondern unbegründet.

Es gibt noch viele Geschichten aus und in Berliner Bädern.

Eins eint sie alle: sie sind Orte, an denen wir alle gleich sind. Und manchmal kann man sogar drin schwimmen.

Gibt es eigentlich eine Petition zur Vereinheitlichung der Schließsysteme? Ich unterschreibe.

Und nominiere

Die schlechtesten Bänder: Zingster Straße (what the hell..)

Die gepflegtesten Old School Bänder: Kombibad Mariendorf (die haben docch da einen Bänderkeller, alle wie original)

Die neuesten Bänder: Sommerbad Mariendorf (Schließfächer Beckenrand)

Die verdrehtesten & größten Schlüssel: Stadtbad Tempelhof (offensichtlich gilt hier: big is not big enough)

Die kaputtesten Spinde: Stadtbad Charlottenburg Neue Halle (waren die jemals besser?)

Das charmamteste System: Stadtbad Spandau Nord- hier rennt das- superfreundliche!- Personal zum Schließdienst

Das modernste System: Schwimmhalle Helene Weigel Platz (Chip 'n schließ- all inklusive mit Musike drin- die ist dann aber nicht modern)