Schließt die Bäder. Nutzt den Shutdown als Chance

Update: Alle Berliner Bäder bleiben vom 14.03. an  vorerst geschlossen


Ich glaube, das ist der schwierigste Blogbeitrag, den ich  bisher geschrieben habe. Schwimmen ist eine Lebenseinstellung. Schwimmen ist Freiheit. Im Wasser fliege ich, keine Gedankenwelt stört, keine Sorge, keine Freude. Trauer, Wut, Angst, Glück, wenn ich schwimme, zählt nur der Augenblick. Wenn ich das Element wechsle und ins Wasser eintauche, ist das mein Ich.


Jeden Tag wurde ich gefragt, was ich meine zu Schwimmbädern und dem Corona Virus.

Schwimmbäder sind sichere Orte

Ich habe es unzählige Male wiederholt, ich halte Bäder für sichere Orte. Wenn mich je ein Infarkt ereilen sollte, dann wünsche ich mir, es passiert in einem Berliner Schwimmbad. Dort sind Menschen, die mir mein Leben retten können, wenn was zu retten ist. In normalen Zeiten. Ich habe mir meine Meinung nicht  binnen eines Tages gebildet und wollte nicht zu langsam und nicht zu schnell zu einer Meinung kommen. Ich wollte Fakten, Tatsachen, Informationen.

 

Wir sind in einer Ausnahmesituation- alle!

Und da kommt es auf uns alle an.

Der ÖPNV kann  eingeschränkt werden, Schulen und Kitas werden schließen.

Das heißt, Beschäftigte müssen Kinder betreuen- ja, auch wenn es natürlich Beschäftigte gibt, die ihre (Klein) Kinder mit zur Arbeit nehmen (dürfen). Beschäftigte und Bäderbesucher*innen  fahren oft ÖPNV, um ins Bad zu kommen.

Es macht keinen Sinn, in einer Art Roulette  eine Bäderöffnung zu betreiben.

Berliner Schwimmbäder sind nicht außerhalb der Welt, sie sind ein Ort der Sozialen Begegnung.

Und es sind genau diese Begegnungen, die derzeit eingeschränkt werden müssen.

Auch heute wieder, in Aqua Fit Kursen, Menschen, oft gut über 65 Jahren alt, absolute Risikogruppe, dicht beieinander, vorher zur Begrüßung umarmt, in die Hand geniest, den Spind angefasst, zum Teil ungeduscht ins Bad und so weiter.

Wenn jeder Appell  ungehört verrauscht

Es nützt überhaupt nichts, zu appellieren( Bild: Facebook, 12.03.2020, Berliner Bäder), Menschen, die nicht duschen trotz anderer, ekliger Sachen, tun das auch jetzt nicht.

Badegäste, nur diese Woche, die ich gesehen habe.

Sie  zahlen, fast immer bar, oft, weil es gar nicht anders geht. Sie husten, niesen in die Hand- erst heute popelte eine Frau mittleren Alters in der Nase- und dann fassen diese Leute überall alles an. Sie fassen Spindtüren, Türklinken, Ablagen an.


Diese Leute kommen mit Haarspray, Make Up, Rasiercreme und anderen Produkten am Körper ins Wasser. Ich habe kein einziges Mal gesehen, dass Menschen, die offensichtlich ungeduscht waren,  gebeten wurden, zu duschen.

Es ist so einfach, es steht in der Hausordnung, Menschen, die sich nicht dran halten, müssen aus dem Schwimmbad verwiesen werden. Ich frage mich natürlich auch  und besonders jetzt, warum das nicht passiert.

Leute, die wirklich übel riechen hängen sich an die Wand und spucken überall hin. Gepflegt wirkende Leute niesen sich in die Hand und hängen sich an den Startblock.

Jetzt könnten es Beschäftigte und der Größte Bäderbetrieb Europas es doch auf "Corona schieben", nicht mal Konfrontation  nötig, die ja offensichtlich so einige scheuen. Sie könnten  Gäste  um Unterlassung bitten.

Irgendwie naiv, ich hatte gehofft, mit diesem Appell Der Bäderbetriebe, der überall als Zettelchen hängt (und bei Facebook mit Bild eines Kindes beworben wird),  würden auch mehr Leute vor Ort für mehr Reinigung sorgen. Das ist nicht der Fall und das vorhandene Personal kann nicht überall sein. 

Auslöser für diesen Blogbeitrag war letztlich mein heutiger Badbesuch und die Tatsache, dass Veranstaltungen allerorts abgesagt werden, auch Schwimmwettkämpfe in denen es wirklich um etwas geht und der Berliner Bäderbetreiber macht so weiter, als wäre nichts.

Jemand muss es aussprechen: Nein! So geht das nicht.

Es geht darum Menschen räumlich zu trennen und der Größte Bäderbetrieb Europas will auf Kuschelkurs bei einer Poolparty morgen in einem Warmbad. Kinder, Eltern, Großeltern. Und Beschäftigte.

Es geht um was. Es geht um unser aller Leben. Um das Leben der Mitarbeiter*innen, das Leben der Zulieferer*innen und, natürlich um uns. Die Schwimmerinnen und Schwimmer. Klar, es gibt auch jetzt noch Leute, die die Gefahr leugnen. Das muss man ignorieren. Derzeit aber ignoriert der Bäderbetrieb die Tatsache, wie viele Menschen der Risikogruppe, Senior*innen, sich in ihren Einrichtungen aufhalten. Und er ignoriert die Tatsache, dass  auch Poolparty und Wettkämpfe Menschen zu nahe zusammen bringt.

Ja, ich  weiß, man muss es normalerweise den Leuten überlassen, ob sie sich gefährden wollen.

Nochmal: Wir befinden uns in einer Krise. Die Pandemie muss verlangsamt werden, um Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben zu schützen. Um davor zu schützen, dass unser Gesundheitssystem endgültig zusammenbricht, wenn hunderte, tausende in Notaufnahmen landen. Dann läuft es, wie in Italien. Dort musste bereits entschieden werden, wer beatmet werden soll und wen man sterben lässt.

Schließungen als Chance

Wenn jetzt Bäder alle schließen, ist das eine Chance in vielerlei Hinsicht.

Der Landesbetrieb ermöglicht seinen Beschäftigten eine stressfreie Organisation der Kinderbetreuung. Beschäftigte, die auf den ÖPNV angewiesen sind können sich organisieren. Der Größte Bäderbetrieb Europas könnte sagen, wir schützen unsere Badegäste, unsere Beschäftigten und wir dienen der Stadt.

Das wäre doch was! Oder?

Und, das, was ich aus Schwimmerinnensicht als größte Chance sehe: die Beschäftigten, die gesund sind, zur Arbeit kommen können, müssen und sollen, können die Schwimmhallen warten. Und, es kann begonnen werden, die Sommerbäder vorzubereiten.

Wenn der Größte Bäderbetreiber Europas Bäder vorläufig bis Ostern schließt und dann neu entscheidet, ist es vorstellbar, dass am 01. Mai zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren in Berlin alle Freibäder an den Start gehen.

Der Shutdown als Neuanfang für Bäderöffnungen. Wenn wir alle Glück haben.