Schwimmen in der Stadt- Was kann Berlin aus der Corona Krise lernen?


Prolog: Hier ist keine Rede davon, dass jetzt die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden sollen!


Die letzten beiden Sommer haben gezeigt, wohin der Klimawandel uns bringt.

Die Sommerbäder an Kapazitätsgrenzen,  in einigen Bezirken überhaupt keine angelegten Sommerbäder und in einigen Bezirken keine kostenfrei zugängigen Badestellen oder Planschbecken.

Aktuell sieht man durch die Corona Krise ein weiteres Problem. Landesgrenzen sind tatsächlich wieder diskussionswürdig und auch wenn das zunächst erlassene Gebot, innerhalb Berlins zu bleiben, gelockert wurde, das Thema Wasser und Freizeit muss langfristig nicht nur diskutiert werden, sondern fantasievoll und an den Bedürfnissen orientiert, geplant und umgesetzt.

Krise als Chance

Ich schrieb es bereits, die Corona Krise könnte¹  eine Chance sein, für die Berliner Bäderbetriebe, sich neu aufzustellen, zum Beispiel zum Thema "Wartung" und "Vorbereitung". Statt quasi fast alle Schwimmhallen gleichzeitig in die Wartung zu nehmen, die Öffentlichkeit auszuschliessen und Sommerbäder dennoch nicht zu öffnen, könnte der Bäderbetreiber derzeit sämtliche Schwimmhallen warten und Sommerbäder vorbereiten. Vorbereitung  und Wartung,  um dann, wenn die Ausgangsbeschränkungen enstprechend aufgehoben (geändert) werden, den Schwimmbetrieb wieder aufnehmen zu können.

Kurzfristige Maßnahmen

Hallenbäder ans Netz

Die  Öffnung von Schwimmhallen, statt, wie seit vielen Jahren, die Öffentlichkeit ab April aus immer mehr Schwimmhallen auszusperren. Dadurch werden Wege weiter.

Ein paar Ideen, die managenden Profis werden  bezahlt für Ideen, also wird  es da sicher noch besser ausgefeilte geben. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB)hat einen Pandemieplan aufgelegt, ich erfinde hier nichts Neues. Ich erweitere, aus Sicht einer Schwimmerin und Bürgerin einer Großstadt.

Grundvorausetzung: Alle Schwimmerinnen und Schwimmer werden endlich gleich behandelt. 50% der Fläche für Vereine und Schulen, 50% für die Öffentlichkeit in allen Schwimmhallen.

  • Zeitfenster für Bäderbesuchende: höchstens 2 Stunden (Menschen mit Behinderungen erhalten z.B. 30 Minuten mehr unter Vorlage des Schwerbehindertenausweises)
  • Anpassung der Preise, ausschließlich ein Zeittarif, z.B. 2,50 Euro/ ermäßigt 1,50 Euro. Hohe Nachzahlung, mindestens 10 Euro und Sperre für 1 Woche bei Zeitüberschreitung (um Egoismus vorzubeugen)
  • Zutritt nur zu vollen Stunden und nur one out- one in
  • Auf sämtlichen Kommunikationskanälen wird die Auslastung veröffentlicht (Social Media, Webseite, am Bad, Telefon)
  • Für Jahreskarteninhaber*innen feste Buchungen möglich machen (um so besonders Berufstätigen und den treuesten Gästen eine Art Sicherheit zu geben in der Nutzungsmöglichkeit)

Über ein Stundensystem kann man Besucherströme steuern, über Zeittakte sicher gehen, dass man so vielen Menschen wie möglich die Nutzung der Schwimmbäder ermöglicht.

Schwimmhallen die gewartet wurden können von 6-23 Uhr öffnen (wobei ich deutlich sagen muss, dass ich, auf Basis der Nicht Antwort, keine große Hoffnung habe, dass mehr  Hallenbäder gewartet sind, als die geplant ab April in Revision befindlichen)

Schwimmhallen, die nicht gewartet wurden könnten zum Beispiel von 6-11 Uhr öffnen und  von 18-23 Uhr. In der Zwischenzeit können Reinigungsarbeiten und Vorbereitungen zur Wartung durchgeführt werden. Diese sollten dann erst in den Sommerferien erfolgen.  Es muss sichergestellt werden, dass in jedem Bezirk ohne öffentliche Badestelle eine Schwimmhalle geöffnet bleibt.

Eine Öffnung ohne die Wassertemperaturen, die laut Unternehmenssprecher² "runtergefahren" sind, wieder hochzuheizen.

Das spart Kosten. Wohnortnah müssen Bäder geöffnet sein. Dafür sprechen zwei Aspekte: das Klima und Ressourcen schonende Mobiliät, regionaler Bezug

Mittelfristige Maßnahmen

Sommerbäder für den Schwimmbetrieb öffnen.

Die oben genannten Punkte kann  der Größte Bäderbetrieb Europas auch für Sommerbäder einführen solange Corona eine Gefahr ist.

Zugängig sind nur Sanitäranlagen und Schwimmbecken, Mehrzweckbecken nur für Familien mit Kindern, Schulen und Kitas.Insbesondere muss Aufsicht dafür sorgen, dass weder schwimmfähige Halbwüchsige  in Mehrzweckbecken rumtoben noch Schulen/ Kitas ganze Becken belegen und so Familien das Planschen unmöglich³ macht. Alle Sommerbäder- nicht nur zentral gelegene- müssen öffnen, sobald die Freigabe erfolgt.

Bindet Firmen aus dem Kiez ein, erreicht diejenigen ohne Internetaffinität mit Infos am Bad, regionalisiert die Freibäder. Dann klappt es auch mit den Reparaturen.

Ich höre Berlins Einwände:

  • Wir haben nicht genug Personal

Doch, habt ihr. Um die Zugang zu steuern, braucht man keine Fachangestellten für Bäderbetriebe (FAB), nicht mal Rettungsschwimmer*innen. Die stehen am Beckenrand, FAB betreuen zusätzlich die Technik. Und wenn der Größte Bäderbetrieb hundert Mal meint, dass FAB oder Rettungsschwimmer*innen die Kasse besetzen und Reinigung durchführen sollen, das ist unnötige Bindung von Fachpersonal.

Ich frag mich sowieso, warum keine Marketing Agentur bisher auf die Idee kam aus dieser Abkürzung was zu machen. Fab= Fabulous, Our FABs usw. Naja. Ich bin kein Profi, ich hab nur Ideen, vielleicht sind die ja auch doof.

Geld ist genug da, also stellt diejenigen ein, die ihren Job verloren haben, die sich umorientieren wollen, die arbeitssuchend sind.

Stichwort: Stellenpool des Öffentlichen Dienstes.

  • Die Sicherheit und Einhaltung der Hygiene durch Bäderbesuchende ist nicht gegeben

Doch, ist sie. Unsere FABs kennen sich mit Hygiene aus! Wenn man dann noch dafür sorgt, dass z.B. Sicherheitspersonal oder auch gesondertes Personal in Hygienemaßnahmen geschult werden, z.B. unter Aufsicht der Gesundheitsämter, geht alles.

Es ist eigentlich Aufgabe der Wasseraufsicht, dafür zu sorgen, dass die Hausordnung, dazu gehört die gründliche Dusche vor Benutzung der Einrichtungen der Beŕliner Bäderbetriebe, eingehalten wird. Wenn nun eine Pandemie zu mehr Hygiene zwingt, kann diese auch von anderem, geschulten Personal eingefordert werden. Man kann z.B. auch die Hausordnung temporär anpassen. Einhaltung der  Duschregel wäre dann  ein Gewinn durch die Krise. Geordneter Zugang ein weiterer...

Personal in Gängen- keine Erfindung von mir oder der DGfdB, das gab es und nannte sich Badewärter oder Badewärterin.

Die 2 Meter Abstandsregel ist im Schwimmbecken am leichtesten umzusetzen. Ein paar Ideen.

  • Bahnen ableinen, beschildern
  • Bahnen ausschließlich zum Kraulschwimmen
  • Bahnen die nicht zum Kraulschwimmen genutzt werden, nur in eine Richtung nutzbar
  • Kein Aufenthalt an der Wand über Verschnaufpausen hinaus
  • Festlegung von Bahnenauslastung

Und wer jetzt feststellt, huch, das sind ja Pool Rules, ja. Es könnte auch im Normalbetrieb ganz einfach sein. Kostet etwas mehr Aufsicht und Kommunikation als bisher, aber auch das nur, bis sich alle an die Regeln gewöhnt haben. Dann würde es besser für alle.

Nach Corona kann man ja "Swim& Talk" Bahnen einrichten, um das Schwimmcafé als sozialen Ort ohne Kaffee (oder mit, wer weiß, es gäbe tolle Optionen) wieder zu ermöglichen

  • Die Technik an der Kasse erlaubt keine Zeitfenster

Doch. Siehe Freizeitbäder. Stellt es um, es ist 2020 kein Hexenwerk. Und wenn eine beauftragte Firma "Jahre" braucht, um ein Online Tickteting einzuführen, sollte man mal die Verträge auf Auflösung und Vertragsstrafen prüfen.

Langfristige Maßnahmen

Badestellen und Planschbecken in allen Bezirken einrichten

Bäderbauprogramme überdenken und neu auflegen

Einige Berliner Bezirke sind gesegnet mit kostenfreien Badestellen, es gibt einige Planschmöglichkeiten, in anderen wurden sie zurückgebaut oder existieren erst gar nicht.

Die letzten Sommer haben gezeigt, was uns mit dem Klimawandel bevorstehen kann.

Andernorts im Land dürfen sich Menschen während der Ausgangsbeschränkungen nur in einem bestimmten Umkreis bewegen, das benachteiligt alle, die in einer Umgebung ohne Balkon, Garten, Wiese,  See oder Fluss leben

Vorausschauende Politik kümmert sich jetzt darum, dass Generationen nach uns bessere Möglichkeiten der Erholung und Lebensqualität geboten werden kann. Einige Maßnahmen könnten sogar schon in wenigen Jahren umgesetzt werden.

Ich will hier nur  ein paar Möglichkeiten zeigen, die mir ad hoc einfallen.

Seit Herbst wird im Volkspark Mariendorf der Blümelteich saniert.

Ich hatte dazu eine Eingabe gemacht, den Teich zumindest teilweise für das Schwimmen und/ oder Planschen frei zu geben (Muss ich sagen, dass ich gar keine Antwort erhielt?). Der Blümelteich ist rechteckig angelegt, bei Planung des Volksparks gab es sogar den Willen, ein Schwimmbecken anzulegen. Dagegen sprach sich ein Verein aus, der die Angelegenheiten des "Bürgertums" vertrat. Man war der Ansicht, dass ein Schwimmbecken nichts für Ältere sei. Welch ein Irrtum, gerade schwimmen ist für viele Ältere Lebenselixier.Nun, vergangene Zeiten, andere Bedürfnisse

Im Volkspark wurde deshalb 'nur' ein Planschbecken angelegt. Nach dem Krieg 'zu unhygienisch', der Willen es zu erhalten, war nicht gegeben.


Wer meint, dass ein Gartendenkmal wie der Volkspark Mariendorf, nicht für Freizeitgestaltung geeignet ist, muss sich informieren lassen, dass dort, trotz bereits vorhandener Optionen (Britzer Garten), eine exklusive Gesellschaft derer, die es sich leisten können, Nutzungsrechte erhält. Modellboot fahren. Meist Herren, die dann kostenfreie Nutzung erhalten. Wie groß deren Lobby ist, weiß ich nicht. Ich bin nicht gegen diese Nutzung, ich frage mich nur, warum das möglich ist und Bürger*innen das Badevergnügen, vor allem aber auch den Kindern, das Planschen, verwehrt wird.


In anderen Ortsteilen des Bezirks Tempelhof Schöneberg gab es Schwimm - und Planschgelegenheiten.

Zum Beispiel im Dorfteich Lichtenrade. Diese könnten, nach entsprechender Reinigung, durchaus wieder zur Verfügung stehen.

Am Wolfsring befand sich dieses Plansch und Freizeitbecken



Badestellen könnten sich, in Marienfelde oder/ und Lichtenrade vielleicht durch den Königsgraben speisen, hierzu sind sicherlich  weitreichende Untersuchungen nötig.In den Mariendorfer Pfuhlen kann man die ehemalige Hundebadestelle ausbuddeln und hygienisch aufbereiten.

Nun kann man mit dem Einwand der Natur kommen und das mit Recht.

Dann frag ich mal, was uns daran hindert, Planschbecken für Kinder anzulegen oder kleinere Badestellen neu zu erschaffen?


Es geht nicht darum, Wettkampftaugliche  Sportbecken in die Wiesen zu buddeln oder All Inclusive  Anlagen, sondern Möglichkeiten, sich zu erfrischen, zu schwimmen. Gibt es keinen Fluss, wie in Zehlendorf die wundervolle Havel mit ihren Badestellen oder keine Innerstädtischen Seen wie den Halensee (Bild), muss eben mit Willen und Fantasie etwas Neues geschaffen werden.

Bildquelle: privat. Danke



Planschbecken sind keine Erfindung in 2020, es gab sie in vielen Ortsteilen, ja sogar in Kiezen zwischen Hochhäusern.

Eine Anlage wie der Britzer Garten  bietet eine wunderbare Option, eine Badestelle einzurichten. Was ich da rede? Von etwas, dass es dort gab. Bis, so meine ich, 2001.


Dort war ein Kind ertrunken und als ob das nicht schlimm genug ist, entspann sich die Diskussion um Aufsicht. Die Aufsicht haben immer die Eltern, die erwachsenen Begleitungen. Man kann nicht an jede Wasserstelle  Aufsichtspersonen stellen oder gar Zäune drumrum bauen.

Die Badestelle wurde geschlossen.


Hier muss ein Umdenken stattfinden. Jeder Bezirk kann prüfen, wo kleinere Badestellen erschlossen und Planschbecken angelegt werden können.

Zwei "Multifunktionsbäder", die auch nach Jahren nur Trockentheorien sind, reichen nicht. Es ist bestimmt für jeden einmal toll, so ein Riesenbad zu besuchen. Fährt man dafür durch die ganze Stadt drei Mal die Woche? Ich meine, nein.

Wir brauchen  Kiezbäder. Man kann  eruieren, welche alten Bäder es in Schulen gab und entsprechend in den neuen Schulbauten mitplanen. Man braucht keine 50X 25 Meter Schulschwimmbäder, es geht erstmal ums Lernen. Kinder durch die halbe Stadt zu karren, halte ich für falsch. Üben können Familien in neu zu errichtenden Kiezbädern mit vielleicht weiteren Freizeitoptionen in der unmittelbaren Nähe. Alles keine Neuerfindungen, es gab es mal. Zum Beispiel im Seebad Mariendorf. Gebaut, umgebaut, erweitert in den Jahren 1876-1912, existent bis 1950. Es gab  ganze Vergnügungsparks  (Lunapark) rund um Schwimmbäder.

Ein "Multifunktionsbad" kann nicht Konkurrenz zu Thermen sein, die privat geführt werden. Es ist auch kein Ersatz für das Schwimmbad in der nächsten Straße.  Ist heute eine Kletterwand hip, ist sie morgen nur hängendes  Plastik. Wer nutzt denn Attraktionen in Bädern? Leute die schwimmen können und das müssen sie lernen und dann unkompliziert üben können

Eine neue Diskussion muss die Stadt, respektive die politisch Verantwortlichen, führen um die Gestaltung und Anpassung der Freizeitangebote und  des Bäderbaus an Klima und wachsende Stadt.

Wenn der Rückzug ins Regionale nötig ist wie jetzt, kann das eine Chance sein, in einer globalisierten Welt sich auch wieder auf die Nachbarschaft zu besinnen. Kein Ausschluss des Globalen, sondern die Erweiterung in die Nähe.


¹Ich schrieb "kann"- allerdings braucht es dafür den politischen Willen des Senats und das Können des Größten Bäderbetrieb Europas, deshalb jetzt nur noch könnte...

²Aussage in einem TAZ Artikel

³Es steht bereits in der "Satzung zur Nutzung der Einrichtungen der Berliner Bäderbetriebe", dass 50% der "gesamten" Wasserfläche der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden soll. Das gilt auch für Nichtschwimmer- und Mehrzweckbecken. Dort findet im Normalbetrieb mehr Schwimmunterricht statt, als dass  Kinder dort in Begleitung Erwachsener üben können. Was nützt denn das Seepferdchen, wenn anschließend nicht geübt werden kann? Und, sorry, Aqua Fit Kurse können in geleinten Bahnen durchführt werden, statt quer über fast gesamte Becken, in Sprungbecken, sofern vorhanden, in bestimmten Zeitfenstern. Babykurse sind toll, dennoch sind Therapiebecken in erster Linie für Menschen mit Behinderungen und müssen ihnen zu mindestens 50% zur Verfügung stehen.