Freie Auswahl oder: Das Freibad als Losbude

Teil I

Mal gewinnt man, mal verliert man. So jedenfalls läuft es, meiner Erinnerung nach auf dem Rummel an Losbuden. Man kauft ein Los, öffnet es erwartungvoll und zieht, oft, zumindest gefühlt, eine Niete.

Genau das Gefühl hat man in Freibädern in Berlin viel zu oft.

 

Während ich im Dorf Freibad in dem ich vor zwei Jahren  einen Sommer verbrachte, die Garantie hatte, wirklich jedes Mal schwimmen zu können.


Der Schock, meine kleine Schwester war tot aufgefunden worden, war schlimm. Sie hatte sich, im Gegensatz zu mir, für ein Leben in einem kleinen Dorf entschieden, obwohl wir beide aus einer Stadt sind. Geholfen hat mir, neben einer wunderbaren Frau vor Ort,  dass es im Dorf ein Freibad gibt. 6 Uhr bis zum Abend geöffnet, jeden Tag. Betrieben von einem Förderverein wie so viele wundervolle Bäder in Deutschland. Man muss sogar sagen: gerettet von diesem Verein.Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich auf die Berliner Bäder angewiesen gewesen wäre. Natürlich habe ich dem Verein neben dem Eintritt gespendet.


30 Grad, Sommerferien, Handtuch an Handtuch, ein paar Kilometer Bahnen ziehen war nie ein Problem. Und ich war nicht mal Mitglied im Förderverein. Das gleiche in anderen Städten. In Köln in einem knallvollen Hallenbad respektierte die gesamte Besucherschaft die "Sportbahn". Seufz.

Das hier wird allerdings kein Rant auf die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung, aka Nutzbarkeit der Wasserflächen in Berlin.

10 Tage ohne Wasser zum Schwimmen.

Was ist passiert? Ach, nix, nur eine kleine Erkältung und im Gegensatz zu denen, die sich für unverzichtbar halten und dann mit einem Herzkasper als Folge des zu frühen Wiedereinstiegs in den Sport leben müssen, habe ich an 6 Tage krank noch eine Pause eingelegt bis zur kompletten Genesung.

Und habe nun

Freie Auswahl

Das Wetter erlaubt es, Regen, keine 25 Grad, die Freibäder sind trotz Sommerferien leer. Leer? Nein. Die immer gleichen, von denen ich mich nicht ausnehme, findet man in den unterschiedlichen Freibädern in Berlin. In den schönsten, abwechslungsreichsten Bädern innerhalb von Grenzen einer Stadt findet man natürlich auch die eben so gar nicht gleichen.

Ein nicht ganz ernst gemeintes, unvollständiges Stimmungsbild

Tradition trifft Schwimmkappe

Arbeiterin (Selbstbild der Bewohnerin) trifft Zugezogene(Selbstbild der selbst ernannten Ureinwohnenden). Und alle treffen auf Vorurteile. Deutlich ohne Fakten zu kennen oder auch nur Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Die Republik glaubt alles zu wissen über eines der schönsten Freibäder in Berlin. Und weiß gar nix.

Ein  Wasserbecken in drei Bahnen eingeteilt. Ja, richtig gelesen. Diese sogenannten Bahnen, drei,  erlauben es den Damen nebeneinander zu plaudern. Ja, beim kraulen. Und den schnelleren in der Mitte zu überholen. Und draußen dann auf der Bank wird über alte Zeiten geplaudert. "Das war ja mal ein Arbeiter(innen kamen nicht vor) Bezirk. Seit die Zugezogenen da sind, verändert sich alles, sagen die Zugezogenen. Niemand kennt mehr Leute, die schon vor 50 Jahren hier geschwommen sind.

Pommes oben. Deshalb nicht oft bei diesem Wetter.

Bester Umstand: hier springt niemand von der Längsseite rein. Strenge Blicke der Aufsicht reichen meist.

Viel Lärm um nichts

Hier rezitiert der Theaterschauspieler, respektive der sich dafür hält. Er braucht das Publikum. Macht sogar Theater, wenn Menschen es wagen, sich auf der Cafe Terasse auf `seinen` Stuhl zu setzen. Sieben freie Plätze, der alte weiße Mann braucht seinen Thron.

Beim Bärlauchbrot tippt die Frau mit den noch nassen Haaren ihren Rant in die Tasten. How dare you, Berlin, keine 25 Grad Wasser und stattdessen an nachfolgende Generationen denken.

Menschen liegen auf dem Steinfußboden, du trittst entweder auf ihre halbnackten Leiber oder musst halt Umwege in Kauf nehmen. Und in der Dusche hörst du aus dem Herrenbereich das Genöhle, wie schlimm Leute sind, die es wagen, ohne 37 Teile Equipement in einer der DSV Vorschriftsmäßig  abgeleinten Bahnen zu schwimmen und gar zu ü b e r h o l e n. Sie. Die morgigen Olympiasieger werden nicht überholt. Berlin ist halt scheiße...

3 Personen auf 8 Bahnen

Während du nackt duschst strömen sie herein. 7 Damen mit Hackenporsche, in voller Montur, mit Bergsteigerschuhen und dem entsprechenden Dreck von sieben Tagen drunter.

Du machst, dass du ins Wasser kommst, Tasche auf die Bank am Rand, die Schließfächer zum größten Teil defekt. Is Berlin, you know. Ihr seid zu dritt auf acht Bahnen...

Sie steuern die Bänke direkt am Beckenrand an. Da wird auch schon mal deine Tasche runter gestoßen. Sie wollen schließlich liegen. Nicht sitzen. Du willst dann dort auch gar nicht mehr sitzen, wenn du weißt, dass Sonnencreme behaftet die Sitzfläche so klebt wie ein Prittstift.

Man darf hier übrigens schon froh sein, dass nicht Zelte aufgeworfen werden, ernsthaft. Das passiert direkt am Beckenrand so ab 30 Grad. Und dann gehts mit Schlauchboot ( kein Scherz) auf die Fläche des Nichtschwimmbecken. Gnadenlos.

Aschenbecher aufgestellt (auch kein Witz), eine geraucht so dass die drei im Wasser auch was davon haben.

Nun könnte man meinen, das in drei Flächen- die Zahl drei scheint irgendein geheimes Ritual der Berliner Bademeister*innen zu sein- also in den drei Flächen genug Platz ist für die 7 hinzugekommenen. Jemand damit gerechnet, dass es Bahnen gibt? Hahahahaha.

FORGET ABOUT IT.

Du kannst hier absolut sicher sein, dass eine der Damen darauf besteht, dass du ausweichst. Es sind 8 Bahnen, aber diese hier gehört ihr.

Nicht alles das glänzt ist Schwimmbecken

Wunderschön glänzt es in der Sonne und wenn es regnet auch.

Da unten, vielleicht 20 Personen, verteilt auf drei (was anderes gehofft? Hihihi) Flächen. Am Rand zwei Bahnen, nicht echt in der Breite, doch immerhin nicht über die Prärie...äh..drittel Fläche. Und platsch. Springt der Mann, weißhaarig, vom Rand hinein. Nachmittags und bei 35 Gard übernehmen Gruppen von 15 jährigen diesen Job.

Bademeisters Aufsicht von oben kann nicht alles kontrollieren. Man starrt aufs Game am Handy.


Ok, das passiert überall und die Mehrheit der Aufsichten macht einen guten Job. Niemand ertrinkt. Mehr dürfen sie nicht zu tun und das kann man nicht hoch genug bewerten! Was ich meine: es ist unerwünscht allen ein gutes Erlebnis in Berliner Bädern zu ermöglichen indem man 'sortiert' oder gar Schilder aufstellt an die man sich halten muss.


Ausgezogen wird sich, wie übrigens in jedem Berliner Freibad, selbstredend am Beckenrand.  Das Gekörpere wird dir überall aufgezwungen. Brüste, Hintern, Geschlechtsteile bis zum Rachenraum..

Der Bäderbetreiber dazu:

 

 



Vor vielen Jahren geschrieben Schwimmbadtypen


Ein wunderbarer Blick von außen, von einem australischen Schwimmer,  auf das Chaos in Freibädern in Berlin

Deutschlandfunk