Faszination schwimmen in Berlin, gestern und heute: Abschied von der Schwimmhalle Holzmarktstraße

"Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben" (J.W.v. Goethe)

 

Die Schwimmhalle Holzmarktstraße hat uns verlassen. Am 30.09.2018 war Schluss

 


 

Wider besseren Wissens wurde das Schwimmbad nicht saniert und nun ist es zu spät..

Eine Schwimmhalle, deren Bau heute nur noch den Schwimmbadenthusiasten als bemerkenswert erscheint.

Eine Schwimmhalle, die  seit Jahren kaum mehr durch die Öffentlichkeit erlebbar war, so verschwand sie fast aus der Wahrnehmung. Nur den StammbesucherInnen, die ihre Schwimmgewohnheiten umgestellt haben und  sich früh morgens zum Schwimmen aufmachen, war sie lieb und teuer.

Neue AnwohnerInnen kamen kaum mehr, zu wenig öffentlicher Zugang, viele, die die Bäder Jahrzehnte genutzt haben, sind abgewandert in andere Bäder, haben das Schwimmen aufgegeben oder sind auf Fitnessclubs mit Pool ausgewichen.

Nach Typ A** der Volksschwimmhallen, folgte Volksschwimmhalle Typ B***, heute zu Teilen noch Original zu bewundern im Baumschulenweg und dann Typ C.

Volksschwimmhallen des Typs C findet man in Berlin unter anderem auf der Fischerinsel, Anton Saefkow Platz und Sewanstraße. Schick saniert, mit öffentlicher Sauna.

Was für ein Gegensatz war die weitestgehend ursprüngliche Schwimmhalle in Friedrichshain, einst Mekka des Schwimmsports, nun kein einziges Schwimmbad mehr in öffentlicher Hand im Alt Bezirk.

Eröffnet (nach meinen Recherchen) im Januar 1976, 25 Meter Schwimmbecken, Nichtschwimmerbecken und einer Sauna im Keller des Gebäudes. Die Schwimmhalle war die zweite des Typ C im (Alt) Bezirk Friedrichshain. Das Bad in der Weinstraße, das vor ihr eröffnet wurde, ist vor langer Zeit untergegangen.

Quellen: Zefys, Berliner Zeitung



Die ursprünglichen Spinde in einer mintgrün ähnlichen Farbe wurden gegen modernere ausgetauscht, sind aber noch vorhanden. Sammelumkleiden wie in den meisten *DDR* Schwimmbädern, Sanitärräume. Räume für die MitarbeiterInnen.

Eine riesige Glasfront ließ das Licht in die Schwimmhalle scheinen.

Besonders faszinierend aber war das Bad tatsächlich, wenn es draussen dunkel ist. Der Schallschutz an der Decke wirkte durch seine braune Farbe fast wie eine überdimensinoierte  Holzvertäfelung, das gemütliche, gelbliche Licht schaffte eine tolle Stimmung. So wirkte das Bad wie aus einer anderen Zeit, als man sich als Schwimmfamilie verstand.

Auf dem Gelände, das so vor sich hin dörrt, befand sich die Außenfläche. Im Sommer konnte man dort spielen in früheren Zeiten, auf dem Rasen sonnen. Leben, fast wie in einem Freibad. Vorbei.

Eine Bank, ein Schild, ein umgefallenes Schild, wuchernde Hecken. Das war alles, was noch da war.


Schwimmbadgeheimnisse

 

In der Schwimmhalle sind in den Nebenräumen teilweise noch Originalteile erhalten und zu bestaunen.

 

Und, der Schwimmhalle haftet ein Geheimnis an.

 

 

Im Keller der Schwimmhalle Holzmarktstraße  findet man noch die Schatten einer Tür, die unter  ein Gebäude geführt haben soll. Rechts davon findet man weitere Hinweise auf einen früheren Zugang. Diese Zugänge könnten aber eher Einstiege gewesen sein in früher anders aufgebaute Technikvorrichtungen zur Versorgung der Schwimmhalle. Ich bin gespannt, ob sich beim Abriss dort weitere Entdeckungen machen lassen. Auf alle Fälle sieht es aus, als war dort mal ein Durchgang.


Das unsichtbare Herz eines Schwimmbads

So unterschiedlich die Schwimmhallen im sichtbaren Teil sind, sind auch ihre Herzen.

Was wir sehen, ist nur der kleinste Teil. Wir sehen gepflegte Schwimmbecken und Besucherräumlichkeiten, das Herz eines Schwimmbads aber schlägt unsichtbar, unten im Keller.Rohre, Schwallwasser, Elektrik, Heizung, tausend Knöpfe, Räder und Hähne.

In der Holzmarktstraße findet man noch faszinierende Teile aus früheren Zeiten in der Anlage im Keller.

Da Herz allerdings ist wirklich in einem traurigen Zustand. Die BZ hat bereits Teile abgebildet. Live zu sehen, dass die Schwimmhalle wirklich vom Netz muss, ist noch einmal etwas anderes. Von allen Seiten gestützt, klar, sicher für die BäderbesucherInnen, aber eine Sanierung wäre unverhälnismäßig.

Meine Sicht ist natürlich eine Laiensicht.

Während in dem 12 Jahre älteren Stadtbad Tempelhof der aufrechte Gang durch großzügige Kellerräume möglich ist, sind die Deckenhöhen in der Schwimmhalle Holzmarktstraße im Keller teilweise nur im Kriechgang oder gebückt zu durchlaufen.

So wie bei der Dokumentation der Wartung des Kombibad Mariendorf, war ich auch hier neugierig, wie alles funktioniert.

Ich könnte mir vorstellen, wenn man in Schulen oder auch für Erwachsene Führungen anbieten würde, gäbe es dafür viel Interesse. Und vielleicht würde sogar das Interesse für den Beruf des Fachangestellten für Bäderbetriebe interessanter für manche.


Im Keller der Holzmarktstraße befindet sich eine offensichtlich toll sanierte Sauna. Ich war völlig baff. Schade, dass sie nach der Sanierung wohl nicht mehr in Betrieb war.

Die Schwimmhalle hatte in den Sommerferien noch einmal die Aufgabe, für die sie mal gebaut wurde. Sie wird für viele Kinder die Schwimmhalle sein, in der sie schwimmen gelernt haben werden.

Für den Neubau, der 12 Millionen Euro kosten soll, ist im Gespräch, dass dieser von einer Wohnungsbaugesellschaft übernommen werden könnte. Der kommunale Bäderbetreiber wäre dann Mieter.

Ein Abschiedsfest gab es nicht. Warum auch. Unternehmenskultur, eine Kultur des Schwimmens  und der Bedeutung von Schwimmbädern pflegt man in Berlin nicht.

** Typ A wurde in Berlin nicht gebaut

***Typ B findet man z.B. in der Schwimmhalle Baumschulenweg

Friedrichshain Schwimmbad Geschichte von southgeist

Vielen Dank an die Berliner Bäderbetriebe für die schnelle und unkomplizierte Genehmigung der Dokumentation. Ein besonders herzlicher Dank an die MitarbeiterInnen  für die Zeit, die sie sich genommen haben, für die Erklärungen und für die spürbare Begeisterung mit der sie ihren Beruf machen.

Ps: Jetzt weiß ich, warum es auch in einem leeren Schwimmbad Glucksgeräusche gibt.

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