Das siebte Jahr oder: was man mit einem Schwimmblog so erlebt

Bevor

Als ich im Juli 2015 meinen Blog bei Google indiziert habe, Social Media Accounts vorbereitet und die ersten Schritte mit einer 'echten' eigenen Webseite gemacht hatte, war das nicht der Anfang meiner Bloggerei.

Die ersten Gehversuche waren eine Art Online Tagebuch. Zuerst nur für mich. Dann für ein paar Leserinnen und Leser via Mail als Textdatei.

Ahnungslos in das Blog Universum

Ich hatte nicht mal geahnt, was das alles mit sich bringen kann. Und nicht damit gerechnet, wie erfolgreich mein Schwimmblog werden wird.

Über 1300 Follows auf Twitter, gut 700 auf Facebook. Als Einzelperson. Also kein Verein, keine Partei, die automatisch die Followerschaft aufstockt.

Ich bin so dankbar dafür!

Ich bin immer wieder beeindruckt und freue mich darüber. Ohne Werbeeinnahmen bisher aus eigener Tasche die Kosten der Webseite zusammen gespart.²

Es bedeutet Reichweite und dass Menschen lesen, was ich schreibe.

Und das bringt auch Neid und Missgunst, Drohungen, bis ins Schwimmbad verfolgt werden, Veranstalter an deren Veranstaltungen ich teilgenommen habe, wurden bedroht und beschimpft

Der Bäderbetreiber ignoriert den Schwimmblog. Ich bekomme ab und zu Antworten, aber auch die gleichen Antworten auf nie gestellte Fragen wie alle anderen Bäderbesucherinnen und Bäderbesucher, die mit ihrem Eintritt zumindest zu einem Teil die Subventionen senken.¹

Es gab Gespräche mit zwei Führungspersonen, nicht nur einmal. Es wurde Kooperation suggeriert, es wurde unterschwellig gedroht, es wurde anerkannt, was ich weiß und dass ich einfach nur Bessere Bäder will. Es gab viele Aufeinandertreffen mit dem Unternehmenssprecher, die, vorsichtig ausgedrückt von Versuchen geprägt sind, mich auflaufen zu lassen. Anfangs habe ich versucht, Augenhöhe herzustellen. Das habe ich aufgegeben. An mir prallt diese Art des männlichen Verhaltens privat sowieso ab, so what. Älter werden hat echte Vorteile in der Hinsicht. Schade ist es natürlich trotzdem.

Trotz auch negativer Erfahrungen, das Positive überwiegt alles bei weitem.

Aufmerksamkeit

Spoiler: Das Vertrauen, das ich als Leserin der freien Medien hatte, ist absolut gerechtfertigt. Ich habe alle Journalist*innen als fair, umsichtig erlebt im Umgang mit mir als Bloggerin.

Ein knappes Jahr nachdem ich dem Blog in den Sozialen Netzwerken Accounts erstellt hatte, meldete sich der Tagesspiegel. Ich war völlig irritiert. Ein Redakteur wollte mich in einem Artikel vorstellen. Die Macherin hinter dem Schwimmblog.

Ähm, nö. Ich mache ja keinen Modeblog, muss nicht ins Bild und zu dem Zeitpunkt war der Krampf Kampf mit dem Bezirk, den BBB, dem Senat im Bezug auf die vergessene Familie Lewissohn in vollem Gange. Wer ich bin ist doch uninteressant bei so vielen Bäderproblemen und der Interessenlosigkeit politischer Parteien eine verdiente jüdische Familie ins Bewußtsein zurück zu holen.

Aber, der Redakteur, Christoph Stollowsky, hat es verstanden,  mir darzulegen, wie wichtig es ist, auch die Personen hinter den Themen zu sehen für die Leser*innen.

Wie Recht er hatte, ist mir im Lauf der Jahre klar geworden.

Unzählige Artikel, ganze Seiten über mich, den Blog, mein Wissen. So viele ungezählte Erwähnungen in  Newslettern. Ich war in der Abendschau mehrfach, im Radio, Titelgeschichte über mich und so vieles mehr.

Der Text über mich hat mir Unterstützung gebracht, um an Familie Lewissohn zu erinnern.

Und ich war in Parlamenten, Bezirksparlamente (Bezirke in Berlin haben oft mehrere hunderttausend Einwohner*innen) und im Abgeordnetenhaus.

Als Einzelperson, die doch nur schwimmt ohne im Schwimmverein zu sein, dort reden dürfen empfand ich als Privileg.  Ich konnte alles sagen, ich wurde nicht gebrieft, nix war vorgegeben (außer das Thema natürlich).

 

Gibt man "Schwimmblog Berlin" in die Suchmaschine oder meinen Namen ein, wumms....

Geht es um Schwimmbäder in Berlin, deren heutige und frühere Öffnungszeiten, Nutzungskonzepte, Geschichte, Geschichten, Personalentwicklung, Bäderkonzepte, geltende und  zu erwartende, weiß man in vielen Redaktionen und an anderen Orten, dass man mich fragen kann.

Mein Schwimmblog ist in dieser Art, von einer Schwimmerin, die einfach nicht mehr still oder in Small Talks am Beckenrand, unter der Entwicklung der Bädern, leiden wollte, einzigartig in Deutschland.

 

Schwimmerinnen und Schwimmer in Berlin, vereinigt euch

Und weil er das ist, habe ich so viele Menschen kennen gelernt, die Bäder nutzen. So viele, deren Sorgen, Nöte, Ärger, Frust und Glück meinen sehr ähnlich sind.

Ellenlange Mails, kurze Bitten um Hilfe, Angebote, mich  zu unterstützen. Aus all dem ist dann 2017 der "Verband der Berliner Bäderbesucher e.V." hervorgegangen.

Ich, Mitgründung eines Vereins. Never. Und doch hab ich es getan und alles erlebt, was man damit erleben kann. Schon wenige Tage nach der  endgültigen Satzung (quälende, langwierige Arbeit, aber mit super netten Menschen im Finanzamt I) tritt die zweite Vorsitzende zurück.  Richtig ätzend, denn jede neue Satzungsänderung kostet Geld. Wir sind nicht gemeinnützig, erhalten keinerlei Förderung.

Irgendwann die saublöde Äußerung eines Gründungsmitglieds, er sei nur Freizeitschwimmer und wolle das nicht mehr. Äh, was sind denn die anderen. Naja, immer wieder dachte ich, nö, ich lass das.

Aber, da waren die vielen Anfragen zur Mitgliedschaft- nicht angenommen, weil wir uns 2020 eigentlich erst orientieren wollten und dann im Herbst entscheiden, ob wir als eine Art Gremium agieren oder doch ein Mitgliederverband werden/ sein wollen.

Pandemie. You know. Vertagt auf 2022. Spannende Zeit.

Missgunst, Bedrohung und der Versuch, mein Wissen zu kopieren...

So ein Erfolg bringt natürlich diejenigen auf den Plan, die das kopieren und nutznießen wollen ohne selbst was zu tun. In einem Frühjahr ging es ganz merkwürdig zu auf einem meiner Social Media Accounts. Follows, die mich regelrecht ausfragten. Kurze Recherche, es steckte eine 'Media Agentur' dahinter. Einige der mich zuschwallenden Accounts habe ich  rausgeworfen. Mit solchen Leuten red ich ja auch auf der Schwimmbad Bank nicht. Einer ging dann so weit, mich anzurufen und am Telefon zu beschimpfen. Gleich mal seine Äußerung unmittelbar danach im Screenshot festgehalten. Inklusive seines Profilfotos...Und das war eine gute Idee.

Es kam wie es kommen musste. Sie warfen eine Webpage auf (bis heute nicht in Betrieb), sie kopierten was ich schrieb (Natürlich hab ich Beweise).

Und, ja,  wirklich, man glaubt es kaum. Ich wurde gestalkt. Erst sitze ich im Schwimmbad  mit einer Person auf einer Bank, da drängt sich ein Typ neben uns trotz vier freier Bänke fünf Meter weiter. "Darf ich?" Ich: "Nein". Er "Sie sind ja doch ganz nett" und geht...Das war der Beginn...

Fotovergleich mit einem mittlerweile recherchierten Foto eines der Betreiber der Agentur. Bingo. Und so ging es weiter. Ein Veranstalter  wurde massiv beleidigt, es wurde gedroht (Anrufnummer festgehalten), so dass ein Sicherheitsdienst nötig war.

Man stelle ich das vor. Ich schreibe private Meinung, ja, mit viel Wissen, mit Vorschlägen (Kritik allein hilft ja nicht), aber letztlich ist das hier ein Blog über das Schwimmen.

Die beiden Herren waren der Meinung, sie hätten ein Anrecht auf Kooperation (wörtlich), sie hätten das Recht mein Wissen und Inhalte zu kopieren und als eigenes zu verwerten und so weiter. Pfff.

Ein Mensch, den ich massiv, mit viel Zeit, Ideen, endlosen Telefonaten in seiner Angst um den Job unterstützt habe und der sogar von meinen letzten 20 Euro, was er wusste, 10 Euro genutzt und nie zurück gegeben hat. Das Monatsende mit den übrigen 10 Euronen kann man sich vorstellen.

Auch das gehört offensichtlich zu solch einem Blog (ich weiß, dass es andere mit anderen Themen noch übler ergangen ist.)

Und dann sind da diverse Nutzer und Nutzerinnen mit Accounts, meist auf Facebook, die meinen, wunders wie schlau zu sein.

Ja, darunter auch einige Mitarbeiter*innen der Berliner Bäder. Sie haben es sich persönlich zur Aufgabe gemacht, jeden Text zu kommentieren mit übellaunigen Äußerungen, wie schlimm meine Texte, mein Blog, ja ich doch sei.

Was lest ihr das dann. Geht weiter. Verantwortet selbst einen Blog.

Nimmt es überhand, in Form von dummen Vorwürfen, die nachweislich nix mit Schwimmen oder meinen Inhalten zu tun haben, blocke ich. Meist ne Woche. Hört es dann nicht auf, tschüss. Geht woanders stänkern.

Das übrigens trotz (oder weil...) ich so oft das Personal in Bädern regelrecht im Schutz genommen habe. Denen gegenüber, die  dort das größte Problem sehen.

Tja, kaum geblockt, taucht hydraartig eine Herde neuer "Likes" auf von neuen Fb Accounts. Sorry, kommt einfach mal früher aus dem Wasser, bevor der Kopfinhalt schrumpft.   Tschüss.

E Mails, Whats App mit bitterbösen, persönlichen Anwürfen. Letztlich sind in den Sozialen Netzwerken auch Leute, die mir nur folgen, um meine Texte, meine Äußerungen ins lächerliche zu ziehen oder einfach nur negativ bewerten und/ oder mit Absicht falsch interpretieren. Im schlimmeren Fall mich beschimpfen. Also ob es mich interessiert, was Fremde von mir denken...

Es gab sogar eklige, sexistische Mails. Einer schlug vor "Blog doch über Mode, du hast eh keine Ahnung vom Schwimmen". schöne Grüße aus meinem Kleiderschrank. Zu dem Zeitpunkt nur schwarz...

Es gab (und wird sie vermutlich weiter geben) sogar Leute, die mein Engagement für die Erinnerung an die jüdische Familie Lewissohn, auf die eigene Agenda schreiben wollten. Wie schäbig kann man sein. Helft doch lieber mit, auch andere vergessene Schicksale aufzudecken, als anderer Leuts Arbeit zu euren Gunsten zu nutzen.

Pandemie

Ist, wenn sich hier nochmal die Spreu vom Weizen trennt. Verabschieden musste ich mich von einigen Schwimmis, die leugnen, Verantwortung verweigern in Form von Maskenverweigerung, Schwurbelvideos, die mir zugesendet wurden. Ach, da waren einige, bei denen ich nicht damit gerechnet hatte, dass sie sich so verhalten. 

Persönlich musste ich leider auch einige gehen lassen ins Land der obskuren Theorien, fern jeder Realität.

Um so schöner, was sich sonst so tat.

Der Berliner Bäderbetreiber hatte in 2020 den Eintrittspreis in die Freibäder derart erhöht, dass ich es mir nicht mehr leisten konnte, in Berliner Bädern zu schwimmen. Nachdem ich lange krank war, die Jahreskarte nicht genutzt habe 4 Monate, den Berliner Bäderbetreiber vergeblich um irgendeine Kulanz gebeten habe, ich hätte mich über 10 Euro Nachlass gefreut, weil krank sein Geld kostet, war ein Ticket von 3,80 Euro pro Besuch nicht drin...

Ich bin noch heute enttäuscht über die Reaktion des Bäderbetreibers. Kulant sein ging dann ja doch nur drei Monate später wegen Pandemie. Für mich zu spät.

 

Ich bekam  so liebevolle Unterstützung, man wollte mir Geld und Gutscheine schenken, damit ich weiter machen kann.

Ich bin noch heute den Tränen nah, wenn ich an die lieben Mails, Anrufe denke. Mir völlig Unbekannte wollten mir helfen, damit ich mein Lieblingshobby in meinen Lieblingsbädern weiter ausüben konnte. Ich bin 2020 das erste Mal seit Jahrzehnten in keinem Berliner Freibad gewesen.

Mittlerweile habe ich wieder eine Jahreskarte, ermäßigt. Ich bin und bleibe leider krank. Und die Jahreskarte erlaubt mir die Freiheit zu buchen, notfalls zu stornieren, wenn ich akute Probleme habe.

Erfolg

Das beste, was der Blog mir gebracht hat, sind Menschen. Mit einer Person gehe ich unregelmäßig aber immer wieder ins Freiwasser. Völlig neu für mich, so richtig mit jemandem schwimmen gehen. Hallo Flexi!

Mit anderen treffe ich mich so immer wieder (wenn pandemische Umstände das  erlauben). Ohne den Blog hätte ich viele Menschen, die mein Priavtleben bereichern und mein Schwimmerinnenerleben erweitern, nie getroffen.

 

Ich habe mit einigen Ideen, finanziellem Aufwand und Hartnäckigkeit erreicht, dass Familie Lewissohn und das Seebad Mariendorf nicht mehr in der Vergessenheit verschwunden sind. Darauf bin ich echt stolz. 

Es gab eine Ausstellung im Heimatmuseum, es wird eine Gedenktafel geben. Ich durfte referieren zum Seebad in der Geschichtswerkstatt Berlin.  Ich hoffe auf Benennung eines Weges/ eines  Grünzuges. Anträge laufen.  Das noch zu bauende Schwimmbad in Mariendorf soll "Helene Lewissohn Bad" heißen.

Allein dafür hat sich alles gelohnt.

Auf, ins verflixte siebte Jahr.

 


¹Der Verband der Berliner Bäderbesucher e.V. bekommt in der Regel schnell Antworten. Oft über das Informationsfreiheitsgesetz, aber auch mal schnell via Mailanfrage

²Ob das für 2023  noch leistbar ist, werde ich im Herbst entscheiden müssen.


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