Faszination schwimmen in Berlin- gestern und heute: Strandbad Plötzensee

Für viele Gewässer in Berlin Warnungen.  Vor Zerkarien, jetzt schon und das seit Ende Juni. In anderen Verschmutzungen durch Starkregen.

Wohin, wenn man ins Freiwasser will, aber nicht so recht kann?

Man nutzt ein Strandbad. Kostet Eintritt, aber  es wird ja auch was geboten.

Naturwasser, mit gepflegter Infrastruktur, Sanitäranlagen, Strand, Wiese, quasi schwimmen all inclusive.

Oder auch nicht.

Plötzensee

Das erste, was den meisten Menschen, auch über Berlin und Deutschland hinaus, sicher einfällt, ist die Gedenkstätte. Unrühmliche, furchtbare Geschichte, die Morde an den Mitgliedern der "Rote Kapelle" und mehr Grausamkeit.

Vielleicht denken einige noch die Justizvollzugsanstalt.

Die langjährige Geschichte des Schwimmens und Badens am eher kleinen Plötzensee, darüber wissen viele nicht mehr so viel.

Totes Meer

Im Plötzensee (Plötze= anderer Name für den Fisch Rotauge)  ertranken im Lauf der Jahrhunderte so viele Menschen, dass die Bezeichnung "Totes Meer" für ihn im Volksmund entstanden ist.

Ein kleiner See, ohne oberirdische Zuflüsse, der eine solche Bezeichnung erlangt. Wie kann das sein?

Die innerhalb des Sees ständig wechselnden Wassertemperaturen sind tatsächlich irritierend. Gefühlt alle zwei Meter mal richtig kaltes und dann wieder lauwarmes Wasser.

Klar, auch in anderen, viel größeren Gewässern, wechseln die Temperaturen. Sonneneinstrahlung, Tiefe, Wasserschichten, hier aber war es auch für mich sehr auffällig, so dass ich gut nachvollziehen kann, wie das manche Schwimmenden verunsichern kann. Einmal mehr bin ich froh um meine Sicherheitsboje ohne die ich in keinen See oder Fluss steige.

Vielleicht ist was dran, an der  Sage¹ vom gierigen Dorfschulzen. Dem machte  ein Geist den Garaus. Er überflutete ein dort mal existentes Dörfchen. Ein großer Hecht, der die kleinen Plötzen nun durch den See treibt,  weshalb der See so unterschiedliche Temperaturen hat. Wer weiß das schon...

Ich habe allerdings keinen einzigen Fisch gesehen.

Mit Klick auf das Bild kommt man zur Sage


Von der Existenz mehrerer Schwimmbäder gleichzeitig zu einem halben Strandbad

Am Plötzensee hat das Schwimmen in Badeanstalten und Strandbad eine mehr als 150 jährige Tradition. Mitte des 19. Jahrhunderts entstand dort eine der ersten Badeanstalten mit öffentlichen Mitteln finanziert.²

Der Plötzensee war früher im Besitz eines Nonnenklosters³ in Spandau. Das erklärt übrigens auch die vielen Friedhöfe in der Gegend.

Das Militär bildete ebenfalls im schwimmen aus. Es wechselten die Betreiber und Badeanstalten,  von Wilhelm Auerbach (ja, der nach dem der Sprung im Wasserspringen benannt ist) und Pantzier, die Wellenbäder betrieben. Über  Militärbadeanstalten bis zum Bau des Strandbads, dessen markante Gebäude noch heute erhalten sind.

Das ist aber auch schon alles, was übrig ist vom Ruhm der Freibäder am  Plötzensee. Hier Bilder von 1965.

Befanden sich phasenweise an beiden Ufern gleich mehrere Freibäder (Badeanstalten) an dem etwa 740 Meter langen und bis zu 150 Meter breiten See, existiert heute nur noch das 1922 errichtete Strandbad.

 

Quer durch Plötzensee, ein früherer "Langstrecken Schwimmwettkampf"

Vom Strandbad aus sind keineswegs die 740 Meter Länge oder die 150 Meter Breite nutzbar, nicht mal annähernd!

Neues Deutschland 1949, Quelle Zefeys


Ein "Test", den die Berliner Zeitung 1992 veröffentlichte. Aus meiner Erinnerung auch für die damalige Zeit übertrieben. Nur 5 Jahre danach stand der Plötzensee nämlich auf der Kippe. Die Wasserqualität hatte sich extrem verschlechtert. (Bildquelle Zefys)

Strandbad today

Das Strandbad befindet sich am 'Westufer'(links hinten im Bild). Auf der anderen Seite verschaffen sich Menschen Zugang zum See, der, ginge es nach dem Willen der Stadt, nur für kostenpflichtige Nutzung freigegeben ist.

So weit ich beobachten konnte, kam niemand dieser Schwimmer*innen ins Strandbad. Umgekehrt allerdings überschwammen gefühlt alle, die gut schwimmen können, die Begrenzungsleine, um im See wenigstens etwas Strecke machen zu können. Unterhalb der Position von der das Foto entstand, befindet sich ein Ruder- und Tretboot Verleih.


Das Strandbad ist im kommunalen Besitz des Größten Bäderbetreiber Europas, Berliner Bäder (BBB), verpachtet an eine Privatperson.

Wie hieß es so schön, als der jetzige Pächter das Strandbad- das wirklich völlig runtergekommen war- übernahm im Tagesspiegel: "Neuer Chef am Plötzensee will Welle machen"

Ein Eingang, der so gar nicht zu einem geschichtsträchtigen Strandbad passt. Und schon gar nicht zu einer "Welle" der modernen Entwicklung. Blau gestrichenes, kleines Häuschen, vorn ne Kasse, ein netter Security Mensch am Tor und die Cleverness, am Bürgersteig, dort wo Schlangen entstehen können, schon mal ein paar Stehtische mit Anmeldebögen hinzustellen. Corona halt. Nice: man kommt mit der Corona App rein, mit Luca, wer das will, und per Anmeldebogen. Registriert im nullkommanix.


Natürlich ist kein neues Wellenbad entstanden. Ein Teil des Geländes ist nun Campingplatz. Ein "Event Gelände" soll es geben. Ein Teil ist noch das, was man Strandbad nennt. Das loben die BBB als "Potential"(siehe oben, im Tagesspiegel Artikel). Die BBB akzeptieren ja auch, dass ein in kommunaler Hand befindliches, aber privat verpachtetes Bad, nur Menschen mit bestimmten Postleitzahlen als Wohnort einlässt... 

 

Ja, ich bin der Meinung, dass der Größte Bäderbetreiber Europas eine Verantwortung auch dann hat, wenn ein Bad verpachtet ist. Da kommt dann die Frage auf, warum verpachtete Bäder so "heruntergekommen" sein können, wie es zuletzt vom Strandbad Halensee berichtet wurde.  Kooperationen, PPP, Public Private Partnership, gern, sich Jahre nicht drum scheren und keine Kontrollen vorzunehmen, nein. Naja, anderes Thema.

 

Im einst so weitläufigen Bad habe ich keine gute Wegführung gefunden. Ein Motorboot steht auf dem Sand, ein Auto habe ich ebenfalls gesehen. Aufgeschichteter Sand als Hügel.

Absperrgitter, die ohne ersichtlichen Sinn rumstehen. Eine Aufsichtsperson für das Wasser konnte ich sehen. Die junge Frau in Dienstkleidung war allerdings zeitweise nicht auf ihrer Position, es muss also noch irgendwo eine Aufsicht geben, die ich aber nicht lokalisieren konnte.

Gastronomische Angebote unten am Strand (zur Zeit nicht genutzt) und oben.

Das ganze Gelände erschließt sich mir nicht.

Aber wer weiß, vielleicht ist das alles noch im Werden. Und Corona macht es ja auch nicht einfacher.

Die WC Anlagen oben wurden vielleicht gestrichen, mehr ist da seit Jahren nicht passiert. Trauriger Zustand für eine "Welle". Im oben genannten Artikel ist von "neuen Duschanlagen" die Rede. Diese durften nicht genutzt werden. Von "neuen Toiletten" wird berichtet. Vermutlich handelt es sich um die WC Anlage, die sich dicht am Strand befindet.

Am Tag meines Besuchs echt sauber, allerdings voller Damen, die sich dort komplett umzogen und ihre gesamte Montur wuschen. Ohne die zu dem Zeitpunkt vorgeschriebene Maske waren alle Personen in allen Innenräumen, außer der Frau, die Putzarbeiten gemacht hat.

7 Euro Eintritt. Dafür erwarte ich mehr. Zumindest Wertfächer, eine beschilderte Wegführung, was wo ist. Stattdessen sind die Schilder von anno tobak die einzigen, wenn man sich nicht auskennt, die eine ungefähre Richtung anzeigen. Das geht echt besser. Wobei, "Telefon", das hätte mich dann doch mal interessiert...


Das Bad war nicht annähernd ausgelastet. Der Sand schön, wie er sein muss und keineswegs voller Scherben und Müll, wie es in einigen Bewertungsportalen angegeben wurde. Spoiler: auch im seichten Wassereinstieg fand sich nichts dergleichen. Na gut, irgendeine Person hat Glitzerpailletten im Sand hinterlassen, die dem Anschein  nach nicht erst am Tag meines Besuchs dort hin gelangt waren. Etwas Glitzer können wir ja alle vertragen in dieser Zeit.

Schattenplätze gab nur am unmittelbaren Geländer zum nicht genutzten Lokal.

Es war ein kleiner, abgetrennter Nichtschwimmer*innen Bereich zu sehen, ein Betonbecken, ein Bereich, der vom restlichen See mit einer, ziemlich runter gerockten, Leine abgetrennt war. Im selben Zustand befanden sich leider auch die Leinen im Betonbecken.

Was ich besonders bemerkenswert finde, sind die abgeleinten Bahnen im Betonbecken. Auf dessem breiten Rand sonnten sich FKK Anhänger*innen,  in Gesellschaft derer, die angezogen waren, teilweise mit wesentlich mehr Kleidung als Schwimm und Badesachen. Einfach großartig, dieser Kontrast und das friedliche Nebeneinander. Fragt man sich, was da neulich am Plänterwald an der Plansche für ein Problem mit einer Frau, die sich oben ohne sonnte, entstanden ist im aufgehitzen Kopf intoleranter Leute.

Das Wasser war beim Einstieg, seicht, sauber, kälter als erwartet an einem Sommertag. 21, 22 Grad vielleicht. Und schnell war klar, dass die Leine keine Grenze darstellt, für keine der schwimmenden Personen. Und das ist richtig so.

Ein See. Allgemeingut. 7 Euro bezahlt, dafür, auf Sand zu liegen und ca 30 Meter weit 'raus' zu schwimmen auf ca 200 Meter Länge? Und dann noch allerlei schwimmende Gebilde bis hin zum Schlauchboot zwischen den badenden und schwimmenden Strandbad Besucher*innen

Hallo.

So klein der See ist, so wichtig Naturschutz ist, so sehr man ein Geschäft mit Bootsverleih braucht,  es ist einfach eine Berliner Unverschämtheit, einen See nur durch ein kostenpflichtiges Strandbad nutzbar zu machen.

So kann es nicht bleiben!

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: man macht das Strandbad kostenlos (z.B.nach Köpenicker Vorbild), der Pächter kann ja seine Campinganlage und Event Gastronomie betreiben. Oder man schafft ein, zwei kostenfreie Zugänge auf der anderen Seite des Ufers. Zu entscheiden, dass nur wer 7 Euro- übrigens war der Pächter 2019 angetreten  mit 5,50 Euro- zahlen kann, den See nutzen darf, ist hahnebüchner Unfug.

Leider habe ich mich überreden lassen, das Betonbecken auszuprobieren.

Das Wasser sah glibberig aus, die Pfeiler im Wasser voller Algen und glitschig, die Leinen eklig. Nicht noch mal. Leider. Das Ding hat echt Potential, wenn es gepflegt würde.

Das Wasser im See war mal kurz davor, zu kippen. Übernutzung. Ich befürchte, wenn man da nicht richtig gut aufpasst, kann das wieder so weit kommen.

 

Umziehen im Sand, die Umkleiden waren auch geschlossen und danach ein Kaffee für mich, für meine Begleitung eine Schale "Luxus Pommes" und die beiden Servicekräfte, sowohl im Imbiss oben als auch im Cafè waren super freundlich. Die Preise moderat und, wie ich hörte, die Pommes sehr lecker.

Fazit

Das halbe Strandbad hat Potential, das meiner Meinung nach (noch) nicht gut genutzt wird. Superschöner Sand, ein idyllischer See, der ohne Boote besser dran wäre. Ich werde auf alle Fälle noch mal hingehen, wenn die Infrastruktur nutzbar ist. Allerdings ist der Eintrittspreis von 7 Euro viel zu hoch, auch wenn man Duschen und Co nutzen könnte. Das muss geändert werden.


¹ Liest man unter anderem im Buch von Gerhild Komander "Der Wedding- Auf dem Weg von Rot nach Bunt" und in Aufzeichnungen, Listen und Büchern zu Klöstern, wird auch klar, woher die Sage stammt vom einstigen Dorf, das geflutet wurde wegen eines "gierigen Dorfschulzen". Wer weiß schon, wie sich die neuen Herren über den Plötzensee (und weitere ehemalige Waldgebiete und Ortschaften) aufführten.

² Uta Maria Bräuer/ Jost Lehne: Bäderbau in Berlin, Lukas Verlag

³Unter anderem in der fantastischen Sammlung alter Karten von  Michael Müller erwähnt (Ich schreibe ihm ab und zu, wenn ich wieder etwas gefunden habe, wie toll ich sein Werk finde. Zu viele Leute nutzen Quellen ohne je Danke zu sagen)