Schwimmen im See: Ein Jahr, ein See

One year, one lake

lets have a swim and feel allright

hear the catfish singin`(one year)

hear the catfish singin (no Love)

Frei nach

Ein Jahr im Schlachtensee

Anfang April 2020, 10,15 Jahre nachdem ich das Freiwasser verlassen hatte, bin ich zurück gekehrt.

In den See, der mich vertrieben hatte. Oder, nein, ich hab mich vertreiben lassen. Vom Schreck. Ein Wels am Ufer.So nah

Natürlich war es nicht die Existenz eines einzelnen Welses oder die Tatsache, dass er dort war, wo ich ins Wasser wollte.

Es war keine Laichzeit, der Fisch trotzdem in Menschennnähe am flachen Ufer. Menschen gemachter Müll überall im Wasser. Als der große Wels am Ufer zu sehen war, hat mich das wahrscheinlich erinnert. An die sterbenden  Fische in den 1970 er Jahren. Fische, die sich ungewöhnlich verhalten.Natürlich hab ich damals  im Schreckmoment darüber gar nicht nachgedacht. Ich hab mich später manchmal gefragt, warum ich so lang nicht zurück gehen wollte ins Freiwasser. Wer weiß, was das Unterbewusstsein so alles mit uns macht. Ich will das auch nicht erhöhen.

Angst ist komplex, ich hab es mir bequem gemacht. Und das war richtig so.

Nach meiner Freiwasser Kindheit war das Hallenbad der Ort an dem ich mich am wohlsten fühlte. Freiwasser war irgendwie verändert. Ich hab hier aufgeschrieben, was  in den 1970 ern, 1980 ern passiert war.

Und Hallenbäder sind doch so ungefährlich. Also so lang sich alle nach vorn bewegen und nicht an der Wand stehen...

Kein Laub, kein Fisch, kein Schutz vor brennender Sonne nötig. Und keiner vor beißender Kälte.

Freiwasserschwimmen

Der Schlachtensee gehört zur Grunewaldseenkette.

5,5 Kilometer Uferweg, bis zu 8,90 Meter tief. Es gibt Strömungen, die von dort Schwimmenden teilweise geleugnet werden. Wer sich nur mit sich und nicht mit der Umgebung beschäftigt, merkt vielleicht nix. Wer weiß.

Es gibt die seichten Ufer und plötzlich stark abfallende Tiefen in Ufernähe.Schilder warnen, Übermütige interessiert das nicht.

Der See ist nur selten so zugefroren, dass eine Eisfläche gefahrlos nutzbar ist. Davor warnen Schilder und doch will manche Person das nicht glauben und muss gerettet werden.

Wer von "Baden" spricht, meint nicht das Schwimmen.

2020 tauchte der Schlachtensee in einer Liste bei CNN auf unter der Überschrift: "20 of the world best places for swimming"

Die Berliner Medien machten daraus "Badestelle" "Badesee". (Ich hab das leider auch gemacht. Fehler.)

Ja, der Schlachtensee ist natürlich auch Badestelle. Eine EU  Badestelle sogar. CNN schrieb "eine der 20 besten Orte weltweit zum Schwimmen". Und genau das trifft es. Er ist ein See für das Schwimmen.

Er eignet sich für alle Strecken. Für  Langstrecken, von der Alten Fischerhütte bis zur Südspitze und zurück. Er ist gut für kurze Sprints, für Übungen. Er ist so klar, dass man die Beine und Arme immer sehen kann und die eigene Schwimmtechnik kontrollieren kann. Er eignet sich für den täglichen Kilometer genau so wie zum trainieren für Schwimm Marathons.

Er hat so viele hübsche, kleine und größere Zugänge, auch wenn manche wirklich ruiniert zu werden scheinen von  Besucherinnen und Besuchern und deren Mitbringseln.

Ausflugsziel

Wie viele Blogbeiträge, wie viele Zeitungsartikel es wohl gibt über ihn, den Schlachtensee?  In wie vielen Berlin Führern er als Tipp genannt wird und wie oft er schon Fotomotiv war? Wie viele  Bücher es wohl gibt, in denen er beschrieben ist?

Fontane: "Nach 20 Min., kurz nach dem Passieren der im See gelegenen kleinen Badeanstalt, befinden wir uns an der durch eine Anlegerbrücke kenntlichen Ueberfahrtsstelle, von wo wir gegen Entrichtung von 10 Pf. für die Person nach der beim Bahnhof Schlachtensee gelegenen „Neuen Fischerhütte“ übersetzten können. Sofern der Fährmann bei unserer Ankunft sich am jenseitigen Ufer befinden sollte, können wir ihn durch Läuten mit der Glocke herbeirufen."

Ich  muss nichts berichten, was unzählige Male beschrieben wurde.

Es gab eine Badeanstalt, Fähren. Ein Bootsverleih ist übrig.

Es gab Ausflugslokale, eine Location steht noch, der Rest ist Geschichte.

Stattdessen Hundeauslaufgebiet auf der einen Seite der Uferböschung. Immer wieder, wenn ich das Menschen erzähle, wird ungläubig mit dem Kopf geschüttelt. Mir geht es auch so, jedes Mal. Weil jedes Mal Menschen das Verbot am Ufer nicht beachten und Hunde kleine Kinder anbellen, über Klamotten laufen und schlimmeres. Es ist eklig. Schäden, die in die Millionenhöe gehen und Tonnenweise...na, ihr wisst schon.

Ich habe mich schon oft gefragt, warum eine "EU Badestelle" so wenig Umgebungserschließung erfährt wie am Schlachtensee. Warum auch 2021 riskiert wird, dass eine Umgebungsnutzung die Wasserqualität gefährdet auf Dauer.

Ich wundere mich jedes Mal vor Ort, dass dort keine nutzbaren WC Anlagen aufgestellt und überwacht werden.


Eine gute Einrichtung ist schon mal die Idee der Parkläuferinnen und Parkläufer. Es braucht mehr. Und dazu braucht es eine Zuständigkeit (dazu unten mehr).

Ein unfassbarer Glücksumstand, aus der S Bahn kommend binnen 2 Minuten an einem der 20 schönsten Schwimmplätze der Welt, in unserer Stadt, und dann brach liegende Flächen, die nicht genutzt werden können,  statt Erschließung, mit zum Beispiel einer kleinen Badeanstalt nur für Familien mit Kleinkindern. Oder eine Partylocation für Jugendliche. Oder einfach nur schön gepflegter Rasen zum chillen für alle.

Ziemlich unbekannte Fakten

Der Schlachtensee wäre kein Berliner, wären da nicht noch ein paar Kuriositäten.

Wusstet ihr, dass Westufer und Ostufer in unterschiedliche Zuständigkeiten fallen?

Außerdem gibt es einen "Eigentümer der Wasserfläche".

Und nicht nur das. Eine weitere Zuständigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass der Schlachtensee eine anerkannte EU Badestelle ist.

Die Überwachung der EU Badestelle erfolgt durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales.

Tja, und die Bojen  haben auch unterschiedliche Eigentümer...

Some bitterness

Der Schlachtensee hat auch eine traurige Seite. Ich habe mehrfach erlebt, dass an seinen Ufern Menschen ohne Obdach liegen. Während wir unserem Sport, unserem Vergnügen nachgehen. Ich will das nicht unerwähnt lassen, gerade weil es mir beim letzten Schwimm wieder begegnete.

Mein See

Ich habe ihn in allen Temperaturen beschwommen. *

Vor allem aber hat er mir meine Angst genommen. Oder hab ich sie bezwungen?

Die Angst vor Fischen, vor Untiefe und der Tatsache,  nicht zu wissen, was unter mir ist.

Was für ein Drama am Anfang. Nein, ich lache nicht darüber. Es war wirklich ernst. Ohne die Geduld und vor allem Akzeptanz meiner Begleitung, wer weiß, ob ich so schnell so weit gekommen wäre.

Erst 10 Minuten, wenige Züge. Schnappatmung, Herzrasen. Und die Angst, dass die Folgen einer Komplikation bei einer OP mich im Wasser erwischen.

Mein Herz hat manchmal so stark geschlagen, dass ich dachte, es muss noch am Ufer zu hören sein.Ich habe hunderte kleine Fische gesehen und bin weiter geschwommen. Erst zu einer Boje. Dann bis zum Park. Dann auf der anderen Seite, Mauer, kein rettendes Ufer. Dann zum Schilf, dann zum nächsten Schilf. Meter für Meter, auch allein.  Rücksichtslose  Leute mit Stand Up Paddle Boards oder Booten. Ich habe dicke Fische gesehen, wie sie unter mir rumschwammen. Alles das hat mich nicht mehr aus dem See getrieben.

Ich habe manches Mal mit dem Wind gerungen und bin nicht voran gekommen. Trotz mühseliger Anzieherei des Neoprenanzugs bei 10 Grad Wasser schon nach 15 Minuten freiwillig wieder aus dem Wasser. 800 Meter die sich anfühlten wie 5000 im Hallenbad.

Bei glühender Sonne kaum etwas sehen, unzählige SUP Boards deren Paddelpersonen die Boards nicht im Griff haben und entnervt raus aus dem Wasser nach 2000 Metern.

Wirklich übles Frieren, das Gefühl abgefallener Hände und Füße bei 4 Grad Wasser.

Und das wundervolle Schwimmen in spiegelglattem Wasser, Zug um Zug und dann lachend, weil ein verliebtes Blesshuhn die Boje umkreist.

Der Schlachtensee kann das alles bieten.

Egal wie der Schwimm war, egal, wie sehr ich gezittert habe danach, vor Kälte, Anstrengung, Enttäuschung. Jeder Schwimm ist etwas ganz besonderes im Freiwasser. Weil keiner dem anderen gleicht.

Ich hab sie überwunden, die Angst. Obwohl, nein, sie ist noch da. Sie dominiert mich nicht mehr. Respekt vor Freiwasser, ja. Besonders bei Kälte und wenn ich allein schwimme und kaum Menschen im und am See sind. Schnappatmung, wenn ich nicht auf mich höre und zu schnell zu viel will.

Immer mit Sicherheitsboje, mittlerweile auch mit Alarmpfeife.

Und mit enormen Leistungen, wie von meiner allwissenden Sportuhr dokumentiert...

Uhren lügen nicht oder?

Das passiert, wenn man den Open Water Modus der Multifunktionssportuhr nicht ausstellt...



In diesem Jahr will ich meine Sommer Schwimmtouren erweitern. Bin ich die letzten Jahre durch verschiedene Freibäder geschwommen, möchte ich dieses Jahr auch Seen außerhalb Berlins beschwimmen.

Wenn man wieder reisen kann, wünsche ich mir eine Reise an den Ort, an dem ich schwimmen gelernt habe. Ich weiß, dass man dort wieder schwimmen kann.

 

Ich werde natürlich immer wieder zurückkehren zum Schlachtensee. Er ist so was wie meine Schwimmheimat geworden.


*Also so lang er nicht zugefroren war.  Respekt vor der Natur, ich hacke keine Löcher ins Eis.