Schwimmen im See: Wie im Freibad, nur ganz anders

Im Herbst diesen Jahres sollte es losgehen. Die Saison draussen verlängern und damit den eingeschränkten Öffnungszeiten der Berliner Bäder entgehen und die dortigen,  nur wenig ausgeprägten echten Schwimmmöglichkeiten erweitern.

Es kam anders. Es musste jetzt sein und das ganz sicher nicht nur wegen der Pandemie. Die war nur der letzte Tropfen, den ich brauchte, um wirklich ins Freiwasser zu gehen.


Zurück zu gehen, um genau zu sein. Woher ich kam, das hab ich hier ausgeschrieben.

Vorbereitung

Ich gehöre zu den Menschen, die gern vorbereitet sind, damit es dann, wenn es soweit ist, bequem und einfach ist. Überraschungen sind was Schönes, aber nicht, wenn  das zu erschwerten Bedingungen führt.

Aufregend war schon die Vorbereitung. Was es alles gibt. Neoprenhauben. Rashguard Kleidung, Matten, Shampoo, Kleber, Stirnbänder, schwimmende Handyhüllen, leuchtende Stäbe und so weiter. Klar, ich kenne Bojen, Anzüge, Socken, Handschuhe. Ende.

Nach wochenlangem studieren von unterschiedlichen Neoprenanzügen und nötigem Zubehör, war ich dann schlau genug, mich an einen Fachmann zu wenden.

Die Wochen hätte ich anders verbringen können, es geht auch unkompliziert und ich hatte sogar Glück. Der erste zugesandte Anzug passt. Das kann man natürlich nicht immer erwarten.

Neporenanzug anziehen ist eine Kunst für sich

Ich bekam also den Anzug zugesandt. Schon ihn in der Hand zu haben, gab mir das Gefühl des Freiwasser Profi.

Allerdings hatte ich ihn da noch nicht angehabt.

Jetzt hiess es also, nachdem ich nur mal eine Neoprenhose und Oberteil bei 16-18 Grad in Freibädern getragen hatte,  einen 5MM Anzug anzuziehen. Ich sag es mal so, ich glaube, ich könnte raffinierte Abendkleider, die ich nie trage, bestimmt besser und eleganter anziehen als diese Gummihaut.

Mittlerweile geht es ganz gut und mit jedem mal sitzt das Teil auch schneller so, wie es muss. Vom Profi bin ich allerdings noch so weit entfernt wie das Ufer auf der anderen Seite der Seen.


Anfang April ging es los.

17 Grad draussen, 10.6 Grad Wassertemperatur.

Und, nicht allein. Das fand ich wichtig. Wichtiger als alles andere.

Am See kaum Rasen, nur Dreck. Ich hab jetzt nicht so Probleme mit Dreck, allerdings ist das schon mal eine Umstellung zur Bank im Freibad auf der ich meine Sachen gern lasse.  Die Badeklamotten schon auf der Fahrt drunter, die Sonne hatte echt schon Kraft und ich musste Kraft haben, trotzdem noch so viel Zeug im Rucksack anzuschleppen. Ich war ja mittlerweile schlauer geworden und hatte  für diese Frage, Klamotten drunter oder nicht, gleich einen Neoprenschwimmer gefragt.  Ich ahnte nicht, dass der Rucksack noch voller werden wird  binnen weniger Wochen.

Da war er also, der See. Freiwasser. Hm. Schon schön. Begeisterung sieht irgendwie anders aus. Nur das Gefühl, dass ich da jetzt rein muss, das war da. Klar da.


Vorher den Neopren anziehen. Was für ein Akt. Angezogen nach gefühlt  20 Minuten, Boje aufpusten auch so eine Sache,  aber es ging besser als ich dachte.

Die ersten Male habe ich mich noch  nicht getraut meine Wertsachen  mitzunehmen, sie blieben im Auto,  mittlerweile sind Handy, Fahrkarte und Co mit mir unterwegs im Wasser. Das Handy zugegebenermaßen doppelt gesichert in einer zusätzlichen, wasserdichten Handyhülle.

Das Wasser

Statt himmelblau, wie im Kachelbad, eher dunkel und mit leichten Wellen vom Wind.  Überhaupt, der Wind, der würde mir in Zukunft mehr zum Feind als Kälte, Fische und anderer Unbill. Das wusste ich da noch nicht.

Ans Ufer und dann mit den Füßen ins Wasser. Kalt. Und hunderte, Millionen kleiner Fische. Ok, die hauten sofort ab, aber ich wusste jetzt,  dass sie da sind. Sehr tröstlich jetzt, die Neoprenhaut. Ich hab in dem Moment entschieden, den ganzen Sommer  nur im Neopren im See zu schwimmen. 

Ich fürchte allerdings, dass ich das schon aus Gründen der Luft-  und Wassertemperaturen, die sich ja entwickeln werden, nicht durchhalte. Haha, bei 35 Grad im Neo. Ich hab also in den ersten Momenten  erstmal über andere Lösungen wie  "ich brauche noch einen ganz dünnen Neopren" "ich brauche so Schuhe mit festeren Sohlen im Wasser" und "gibt es Gitter für das Gesicht?" "kann man Fische mit Tonträgern unter Wasser verjagen"  nachgedacht.

Der Vorteil bei diesen Wassertemperaturen ist die klare Sicht, der Nachteil: es ist einfach kalt. Im Gesicht, wenn das erste Wasser in den Anzug fliesst. Es ist kalt, kalt und kalt. Die Atmung stockte.  Nach den ersten Zügen dachte ich, ich hab das Schwimmen verlernt. Ein Atemchaos.

Ok, jetzt mal zusammenreissen.

Da war also die Angst vor den Fischen, das Atmen, was schwer fiel und der ungewohnte Neopren.

Wusstet ihr, dass tausende Mücken über der Wasseroberfläche tanzen und dass das ganz hübsch aussieht. Man sollte nur vermeiden, sie zu schlucken. Gar nicht so einfach.

Sehen kann ich mich mit benebelter Brille auch nix, der schwarze Orientierungsstreifen fehlt völlig. Obwohl, die Äste und das andere, was im See so rumliegt, das will ich gar nicht sehen.

Ich musste und muss mich im Freiwasser anders konzentrieren. Erst an die Kälte gewöhnen und akzeptieren, dass die Atmung sich verändert. Dann die Atmung wieder in den Griff kriegen und nicht von mir erwarten, hier sofort die Strecke zu schwimmen, die ich im angelegten Freibad schwimme zu Saisonbeginn. Jedes Grad mehr oder weniger ist ein Unterschied und da ich im Frühjahr mit Allergien heftige Probleme habe, also auch mit Atmung ansich, muss ich Geduld mit mir haben.

Und dann, als ich mich beruhigt hatte- und nein, nicht mich an die Kälte gewöhnt, sondern sie nur akzeptiert -die ersten Züge.

Da war es, das Schwimmgefühl. Eingetaucht in das  Wasser, wenige Züge.

Schwimmen ist eine Lebenseinstellung. Schwimmen ist Freiheit.

Wenn ich das Element wechsle und ins Wasser eintauche, ist das mein Ich.

Und mein Ich musste sich wirklich anstrengen.

Es ist etwas völlig anderes in so einem Neoprenanzug zu schwimmen, Auftrieb garantiert. Das Engegefühl ist nur ein Gefühl, aber es ist real. Daran musste und muss ich mich gewöhnen. Das Wassergefühl ist völlig anders.

Es ist, für mich, anstrengender im Neoprenanzug zu schwimmen, ich denke, das ist und bleibt auf längere Zeit  Übungssache. Das ist also die nächste Herausforderung.

Ich schwimme noch immer nur die gleiche, kurze Strecke.  Ich kann mich noch nicht gut auf lange Strecken orientieren. Atmen muss ich trotzdem und wenn der Arm sich nach innen streckt,  muss das auch korrigiert werden.

Trotzdem. Ich bin zufrieden.

Das Sein im Wasser ist das, was ich brauche.

Es gibt auch etwas anderes, das genau so ist, wie im Freibad.

Nur anders. Die Menschen am See. Über die erzähle ich beim nächsten Mal etwas.

Jetzt mach ich erstmal Atemübungen.