Schwimmen im See - zurück zu den Wurzeln

Schwimmen gelernt habe ich als kleines Kind mal in der Oker im Harz. Nahe der Talsperre war ich mit meiner Familie oft, wenn wir Pause machten oder auf dem Rückweg nach Hause waren, von unseren Ausflügen.

Dort, wo unser Stammplatz war, gab es klares Wasser, viele Findlinge und einige Wasseransammmlungen, die wie kleine Teiche waren. Dort schwamm mein Vater regelmäßig  und ich fand es faszinierend, wie man im Wasser sich so fortbewegen konnte.

Also lernte ich von meinem Vater schwimmen. Er brachte mir bei, was er selbst von seinen Brüdern noch im Krieg gelernt hatte. Zwischen Findlingen konnte ich nicht verloren gehen, mein Vater war immer dabei.

Das Wasser war wirklich kalt, aber ich musste rein. Das war wie ein Sog.

Angst hatte ich nur vor den Fischen. Als Vier-, Fünjährige, ich war nicht wirklich groß oder stämmig, kamen mir die blubbernden Karpfen (ich glaube, es waren Karpfen) riesig vor, wenn sie das Maul öffneten. Und dann diese vielen kleinen Stichlinge (?). Hunderte, die ich Angst hatte anzufassen.

Ich erinnere mich, dass mein Vater sagte "Du musst nur schneller sein als die Fische, dann kriegen sie dich nicht"

 


Hier kann man Teile der Oker gut sehen. Ohne Ton, die Musik nervt

Wo Wasser war, war ich

Das hat sich auf positive Art so eingeprägt, dass ich in jedem zugängigen Gewässer 'geübt' habe.  Ich bin in der Weser, im Mittellandkanal, in der Elbe, im Rhein, in der Donau, in der Nordsee, in der Aller, in unzähligen kleinen Seen und Teichen und Flüssen geschwommen in meiner Kindheit. In jeder Stadt, in jedem Dorf, überall durfte ich schwimmen.

Ich bin von Brücken gesprungen, das war damals auch schon verboten, aber ich hatte bemerkt, dass so ein Sprung Schwung gibt beim Start.

Ich bin neben Schiffen geschwommen, um sie zu überholen. Am meisten genervt haben mich Leute in so  kleinen Kähnen mit ihren Rudern, die nicht geradeaus fuhren. Dieses Geschlenker... 

Jetzt muss ich lachen. Schon so früh und der Wunsch gerade Bahnen zu ziehen.

Unter den Böötchen bin ich getaucht und auf der anderen Seite weg geschwommen.

Heute sind es "Stand up Paddler", die ihr Sportgerät nicht beherrschen, die wirklich  gefährlich werden können.

Angst vor Fischen hatte ich nicht mehr, ich wähnte mich ja schneller als sie.

Umweltsünden

Ich habe also mit dem was man heute Freiwasserschwimmen nennt begonnen.

Bis die Gewässer kippten Mitte/ Ende der 1970 und in 1980 er Jahren.

Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern, wie sich die Oker an unserem Stammpicknikplatz, der sehr versteckt lag, entwickelte. Das Wasser sah schaumig aus, es stank immer mehr. Irgendwann, das  war das letzte Mal,  dass ich dort war, schwammen Fischen oben auf dem Wasser. Tot. Ich hab das Bild noch heute vor Augen. Für mich als Kind war das schlimm. Wasser ist Leben und das Leben trieb tot auf der Oker...

Heute sind diese Umweltsünden kaum noch vorstellbar, man hatte wirklich alles mögliche in Gewässer eingeleitet, ohne jedes Bewusstsein für den Schaden den man angerichtet hatte.

In dieser Zeit fuhren wir also in Freibäder. An eins erinnere ich  mich besonders gern.  Irgendwie berührend, während ich das so schreibe, fällt mir auf, dass ich schon früh die Gelegenheit hatte, die schönsten Freibäder kennenzulernen,  weil meine Familie sich nicht nur in der Umgebung aufhalten wollte, sondern mir ermöglicht hat, viel zu sehen und zu erleben auf unseren Ausflügen. Na, jedenfalls Wasser war immer dabei wenn es ging.

Das Freibad, das wir häufig besuchten existiert noch.  Vielleicht beschwimme ich das mal wieder nach so vielen Jahrzehnten, wer weiß.

Das Hallenbad und ich, wir wurden ziemlich beste  Freunde

Mein Vater wollte dann, dass ich "richtig schwimmen" lerne.Ich war schnell, aber elegant war schon anders. Ich hatte Kraft, aber nicht Stil. Das sollte sich ratz fatz ändern...

Ich erinnere mich an eine der ersten Begegnungen mit der Lehrerin, Frau O. Alle Kinder sollten auf der Treppe ins flache Wasser. Was hab ich gemacht? Auf die andere Seite, zu  den Startblöcken, rein gesprungen und los geschwommen. Bevor die anderen Kinder im Wasser waren, war ich schon schwimmend am flachen Ende. Ich fand mich toll...

Heute ist mir klar,  was für ein Schreck das gewesen sein muss für Frau O. Die war nämlich stehenden Fußes ins Wasser gesprungen, weil sie  nicht ahnen konnte, dass ich längst schwimmen konnte wie ein Fisch. Ich höre noch heute die Standpauke.

Ich bin nie wieder in ein mir unbekanntes Gewässer gesprungen, selbst wenn es, wie in diesem Fall ein Hallenbad war. Wie gern ich mich an diese Lehrerin erinnere. Trotz Standpauke hatte ich  das Gefühl, dass sie es gut meinte. Und so war es. Durch  sie lernte ich Wettkämpfe kennen, ich muss wohl so was wie Talent gewesen sein.

Ich wurde zu einem Hallenbad  Fan.

Ich lernte alles, was man lernen konnte. Damals kraulte man zum Beispiel noch lange nicht mit hohem Ellbogen. Delfin schwamm  man anders und Brustschwimmen, das war und ist meine Achillesferse. Heute schwimm ich das gar nicht mehr, damals nur widerwillig. So richtig blöde fand ich "Gleischlag". Im Hallenbad kraulen, das war es und das ist es bis heute. Einfach nur stundenlang Bahnen ziehen. Nicht nachdenken, nicht aufpassen, nur Wasser und ich. Die Umkleide nah, kein Wind, keine Pflanze und kein Fisch...

Das mit den Wettkämpfen habe ich als Teenie dann gelassen, es gab wichtigere Dinge. Punk zum Beispiel in England und die Konzerte. Das kostete Zeit, ist aber eine andere Geschichte.

Welse am Badeort

Später, als die Gewässer draussen wieder beschwimmbar wurden, nutzte ich sie nur noch mit Freundinnen und Freunden zum baden. See, Meer, Fluss, das waren Orte der Abkühlung, der sozialen Begegnung, keine Orte zum Schwimmen. Ich hatte den Bezug verloren. Ich staune bis heute, wie sauber zum  Beispiel die Oker wieder ist, dass man in der Talsperre schwimmen kann. Beschwommen habe ich sie nie mehr, seit meiner letzten Begegnung mit den toten Fischen auf dem Schaum.

Im Schlachtensee hatte ich dann  vor etwa 10, 12 Jahren eine unheimliche Begegnung mit einem fies aussehenden Wels. Hier der Beweis, nicht meine Story, aber es gibt sie. Catfish...brrr

Wir waren am Ufer, das übrigens schlimm aussah. Glassplitter, Hundekot, nur mit so Badeschuhen überhaupt zu betreten.

Und dann trete ich ins Wasser und so ein Riesenfisch, mindestens 10 Meter...na, ok, aber 2 Meter war er wirklich blubberte da rum und schwamm auf mich zu. Ich war noch  nie so schnell aus einem Wasser raus.

Nie wieder bin ich danach auch nur zum Baden in einen See, Fluss oder sonst ein Freiwasser. Freibäder, ja gern. Hallenbad, unbedingt. See, nee.

Zurück zu den Wurzeln?

Ich sehe seit einiger Zeit,  mit einem nicht beschreibbaren Gefühl, Bilder an, von Schwimmen in Freiwasser.

Das war ganz seltsam, während ich das schreibe, habe ich insbesondere die Bilder  von Schwimmerinnen und Schwimmern vor Augen, die in Flüssen schwimmen, an denen man Häuser oder Gebäude sieht. Genau so habe ich ja schwimmen gelernt. Orientierung an Gebäuden, Steinen, Bäumen.


 

Meine Idee war, dieses Jahr im Herbst wieder in den See zu gehen.

Nun ist es Frühjahr, die Bäder sind geschlossen und ich glaub es nicht, aber ich bin seit ein paar Wochen in einem See.

Es war und ist kalt. Bei 10.6 Grad waren wir zum ersten Mal drin.

Ja, ich gehe  nicht allein. Das wäre verrückt als Ungeübte im dazu noch kalten Wasser.

Ich trage bunte Badekappe, schwimme mit Sicherheitsboje, bewege mich noch nicht weit weg vom Ufer. Ich will weder jetzt noch sonstwann einen Rettungseinsatz auslösen. Ich muss erst ankommen im  Freiwasser.

 

Gut, schwimmen ist das noch nicht. Ich bin Strecke gewohnt. Und doch.

Da sind die lebenden Fische, die ein merkwürdiges Gefühl auslösen. Besonders diese kleinen. Lebendig sind sie mir doch lieber als tot auf dem Wasser. Sie sind Indiz für die Wasserqualität und besonders wenn ich sie sehen kann, ist das ein  gutes Zeichen. Trotzdem ist es mir ganz Recht, wenn in Sichtweite Angler einige von denen raus holen. Freunde werden Fische  und ich in diesem Leben nicht mehr denke ich.

Das Gefühl, besonders die Momente, in denen ich  gar nicht schwimme, sondern nur   Gebäude sehe, die am See stehen, das ist ein bisschen wie Kind sein.

Es ist übrigens genauso kalt wie damals. Nur, dass ich jetzt im Neoprenanzug mich schütze und von mir selbst überrascht bin.

Ich, im See und es geht mir gut damit. Meistens. Manchmal kommt das Bild mit dem Wels. Und die Bilder mit den toten  Fischen.

Die meiste Zeit  staune ich nur und genieße.

Ich bin also quasi wieder da, wo es angefangen hat.

Es wird dauern, bis ich Strecke mache.

Ich werde bleiben. Und weiterschwimmen.