Der unsichtbare Dirigent oder: was will er, der nicht mehr neue Bäderchef?

"Die handeln und die dichten,

das ist der Lebenslauf,

der eine macht Geschichten,

der andre schreibt sie auf,

und der will beide richten;

so schreibt und treibt sich's fort,

der Herr wird alles schlichten,

verloren ist kein Wort."

("So oder so" von Joseph v. Eichendorff)


Alle Schwimmbäder sind geschlossen, das Tagesgeschäft,  Betrieb von Bädern, ruht. Moment. Alle Schwimmbäder?

Nein. Geöffnet sind laut Pressesprecher 26 Schwimmhallen.

In vielen Gemeinden sind Betreiber nun wieder  aktiv,bleiben in Verbindung mit ihren Besucher*innen.

Bilder, Fitnessprogramme, Motivation. Aber auch Traurigkeit, Verzweiflung.


Man liest auch von verzweifelten Schwimmerinnen und Schwimmern, von Betreibern, die nicht wissen, wie es mit ihrem kleinen (Bürger) Bad weitergehen kann und soll. Solche Bürgerbäder sind oft Vereinsgeführt, im Ehrenamt, auf Spenden und Sponsoren angewiesen. Derzeit scheint es niemanden so recht zu kümmern, was aus ihnen wird. Wir kennen das, ist ein Schwimmbad erst untergegangen, singen alle  laute Klagelieder.  Politiker*innen, Bewohner*innen, alle stimmen ein und keiner will  verantwortlich gewesen sein. Dabei können alle, besonders jetzt, mithelfen. Spenden, Mitglied werden, Sponsor werden um diese kleinen Bäder zu erhalten.


Zuschüsse gesichert, egal was passiert?

Ich schweife ab, es geht um den Größten Bäderbetrieb Europas. Der ist gesichert mit immer höher gewordenen Zuschüssen.

Bekam er eine Summe X, vom Parlament so gewollt, gab es mit dem Wechsel der Koalition auch eine Ankündigung eines Paradigmenwechsels. Weg von...ja, weiß ich auch nicht so genau, hin zu, was? Gesagt wurde "mehr Daseinsvorsorge".

Jedenfalls soll es so laufen, dass die Berliner Bäderbetriebe (BBB) darlegen sollen, was sie an Geld und Sonstigem brauchen und die Koalition entscheidet, was und das finanziert wird. Das heißt tatsächlich auch, zumindest in Teilen, dass hier ein Wunschkonzert gespielt wird.

Die BBB planen seit langen Jahren die Aufführung des Multifunktionsbads. Mit allerlei  Tamtam, vielen Wasserbecken und weil die Planung nun schon ein paar Jahre dauert, war leider in Mariendorf  eine Dissonanz entstanden. Aus zwei jetzt existerenden 50 Meter Becken war ein 12 Meter Warmbecken geworden in der Planung.

Eine Oper in mehreren Akten, am Ende kam dabei raus, dass die Koalition erneut Geld bewilligte und ein Außenbecken  in der Aufführung der Pläne wieder eine Rolle spielt.

Und der  oberste Bademeister der Stadt? Der Chef des Größten Bäderbetreiber Europas, Dr. Johannes Kleinsorg?

Was sagt er?

Welche Ideen hat er?

Wir hören immer mal wieder etwas von seinem Vorspieler, dem Unternehmenssprecher (der übrigens als Historiker einige amüsante Bücher verfasst hat, kann ich nur empfehlen in der Zeit, in der wir auf dem Trocknen sitzen.)

Matthias Oloew ist seit vielen Jahren Sprecher der Berliner Bäderbetriebe.

Er hat Bäderchefs kommen und gehen sehen. Er ist als Vorspieler geblieben wer er war.

Von 2001- 2013 waren Klaus Lipinsky und Michael Schenk Vorstand des Größten Bäderbetreibers in Europa. Nachdem die  beiden Bäderchefs unter nicht bekannten Umständen sehr plötzlich gegangen sind, gab es viele Bäderchefs und eine Vorständin bis heute.

Fortepiano

2013 kamen Ole Bested Hensing (vorher Tropical Island)  und Annette Siering (vorher Stadt und Land).

Hensing zerschlug mit seinem Taktstock einiges, er wollte warme Bäder, bekam sie. Er wollte kleinere Bäder schließen lassen. Das passierte nicht oder zumindest anders als gedacht (Strandbad Tegel, Schwimmhalle Holzmarktstraße) allerdings wurde in seinem Bäderkonzept aus Volksbädern nebenan bis heute Bäder, die kaum mehr Öffentlichkeitsbetrieb haben. Hensing ging  mit einem Paukenschlag,  schon zwei Jahre später (familiär bedingt), im Juni 2015.

Das Auftreten Hensings war nicht bei allen im Orchester, sprich am Beckenrand arbeitenden Beschäftigten, beliebt.

Nebenstehend eine für ihn typische Aussage (Klick auf das Bild zum Artikel)-


Siering blieb und dirigierte den Größten Bäderbetrieb Europas kommissarisch bis April 2016. Unter ihrem Takt wurde umgesetzt, was ab 2013 komponiert wurde. Aus  Stadtbädern und Volksschwimmhallen wurden zum Teil Vereinsbäder, nur noch Frühschwimmen für zahlende Besucher*innen.

Es wurden Bädermanager*innen eingestellt, die Verwaltung der Bäder neu aufgestellt. Wenn man so will, mehr Mitglieder ins Orchester geholt. Ob das zu einem besseren Klang beiträgt, überlasse ich den Bäderbesucherinnen und Bäderbesuchern. 

Piano

Im April 2016 folgte Andreas Scholz-Fleischmann (Unternehmensberater, vorher BSR Vorstand) auf den Dirigentenplatz.

Annette Siering blieb, nun wieder als  zweite Vorständin. Ihr Vertrag wurde verlängert bis 2021

Unter seiner Führung gab es einen ganz neuen Ton im Größten Bäderbetrieb Europas. 20 Jahre nach Gründung der Berliner Bäderbetriebe wurde zum ersten mal nicht mehr nur über, sondern mit den Berliner Bäderbesucherinnen und Bäderbesuchern kommuniziert.

Das ruhige Spiel Scholz- Fleischmanns gefiel nicht jeder und jedem. Oft wird der ruhige Part eines Musikstücks...äh...der Bäderpolitik überhört.

Scholz-Fleischmann blieb drei Jahre, bis April 2019. In dieser Zeit führte er sogenannte "Teamtage" ein, in der Beschäftigte zu mehr Zusammenhalt, besseren Teams werden konnten. Ob es was gebracht hat, entscheide bitte jede selbst.

Unter seiner Führung wurde in den ehemaligen Volksbädern, die zu Vereinsbädern geworden sind und die in den Ferien grundsätzlich geschlossen wurden, eine Öffnung in den Ferien, zumindest zum Teil, wieder eingeführt. Er blieb allerdings auch bei vielem, was sein Vorgänger binnen sehr kurzer Zeit regelrecht auf den Kopf gestellt hatte. Unter seiner Führung blieb  unter anderem das Stadtbad  Spandau Nord an Wochenenden geschlossen und das Sommerbad Staaken West öffnete nur noch in den Ferien, respektive ein paar Wochen vorher (2019)

Scholz-Fleischmann war übrigens, nach Jahrzehnten Bäderpolitik, der erste, der die Worte "Vereine" "Gebühren" in einem Zusammenhang ausssprach. Meint, Vereine, die derzeit kostenfrei Wasserfläche erhalten, sollen, wie fast überall, Gebühren zahlen. Daraus wurde nix. Bisher.

Es wurde viel geredet. Ob das zu einer besseren Bäderpolitik geführt hat, überlasse ich den Bäderbesucherinnen und Bäderbesuchern. 

Frau Siering leitete die Berliner Bäderbetriebe erneut kommissarisch ab April bis im September 2019 der neue Vorstandsvorsitzende ernannt wurde. Im Gegensatz zu einigen Äußerungen aus der Politik, es solle (endlich!) eine Frau werden, kam es anders.

Pianopianissimo


"Vom Dorfe schon die Abendglocken klangen,

Die müden Vöglein gingen auch zur Ruh,

Nur auf den Wiesen noch die Heimchen sangen

Und von den Bergen rauscht' der Wald dazu;

Da kam ein Wandrer durch die Ährenwogen,

Aus fernen Landen schien er hergezogen."

(Aus "Der Unbekannte" von Joseph v. Eichendorff)


Und der nun nicht mehr neue oberste Bademeister, Dr. Johannes Kleinsorg?

Von Sportsenator Andreas Geisel mit einem Gong im Juli 2019 berufen, ab August arbeitend und seit September offiziell der Vorstandsvorsitzende des Größten Bäderbetrieb Europas.

Es gab ein kleines Interview im Tipp, das war es. Dort liest es sich, als hätte der Unternehmenssprecher die Antworten formuliert. Das muss nicht negativ sein, ist nur auffällig für jemanden, der die Sprache des Sprechers seit Jahren kennt.

Was  Dr. Kleinsorg will? Wissen wir nicht.

Welche Innovationen er mitbringt? Unbekannt.

Was er ändern, was beibehalten will? Sagt er nicht.

Sind die Schwimmhallen, die nicht für das Schulschwimmen geöffnet sind, betriebsbereit?

Werden Reparaturen ausgeführt?

Wieder Kurzarbeit statt gut ausgebildete Fachangestellte im Gesundheitsamt eingesetzt?

Welche neuen Wege schlägt er ein, der Größte Bäderbetrieb in Europa? Geht er voran oder schleicht er hinterher?

Will er wohnortnahe Bäder? Bessere Öffnungszeiten? Will er noch mehr mehr Bäder der Öffentlichkeit verschließen?  Wann kommt das echte Online Ticket? Wann gibt es nach Coronabetrieb in allen Bädern Zeitkarten? Wann ein optimiertes Nutzer*innenkonzept?

Werden weiter Kosten bei Sanierungen ausufern oder gibt es umfangreiche, externe Gutachten vor Beginn der Arbeiten?

Will er die Öffnungspolitik wieder in die Verwaltung legen?

Dr Kleinsorg ist der unsichtbare Dirigent. 

Was komponiert er, abgetaucht. Wer ist er, schwimmt er, badet er?

 

Kein Wort  des Vorstandsvorsitzenden.

Wie gut das ist, wenn eine Anstalt öffentlichen Rechts in der größten Krise seit Bestehen, die meiste Zeit schweigt, überlasse ich den Bäderbesucherinnen und Bäderbesuchern