60 Millionen- Bäder werden gemacht, es geht voran beim Projekt Stadtbad Tiergarten

Oder auch nicht, je nachdem, welche Perspektive man auf so ein Projekt hat.

Als Bäderbesucherin  ist mir das Bad seit Juni 2019 verschlossen. Warum bereits zu dem Zeitpunkt, ist mir immer noch nicht klar. Mit der Sanierung jedenfalls wurde  damals nicht begonnen. Wie lange soll und vor allem darf ein betriebsbereites Schwimmbad in Berlin schließen bevor real mit den Bauarbeiten begonnen wird? 1 Woche? 1 Monat oder gar 1 Jahr?


Standort Begehung/ Baustellenführung

Wie auch immer man das nennen möchte, eine sehr gute Idee.

Auch der Termin war so gelegt, dass man recht gut teilnehmen konnte, Freitag, später Nachmittag und auch zeitlich so geplant, dass genug Zeit für Fragen und Antworten wäre.

(Bild: Blick auf das Schwimmbecken vom Nichtschwimmbecken aus gesehen)


Mir ist immer noch nicht klar, wer nun diesen Termin eigentlich gestalten sollte.

Ich wurde eingeladen und natürlich war mein Grund für die Zusage die einladende Person/ demokratische Partei. Ich war davon ausgegangen, dass es ein Termin bezirklicher Partei Organisation ist. Der Bezirk Mitte ist bekanntermaßen gut engagiert wenn es um seine Bäder geht und so war auch der amtierende Bürger*innenmeister persönlich vor Ort.

Ich habe den Termin sehr gern mit meiner Expertise unterstützen wollen, um Fragen zu stellen, aber natürlich auch um in meiner Funktion, als Vorstand des Verband der Berliner Bäderbesucher e.V., für unsere Mitglieder die im Bezirk leben und schwimmen Informationen zu erhalten. Über Stand der Sanierung, Kosten. Gestaltung, Standortkonzept und so weiter.

Anwesend waren 10 Herren und 3 Damen.

2 Herren aus dem verantwortlichen Architekturbüro, 2 Herren von BBB, darunter der Unternehmenssprecher, der andere war nicht Leiter Betrieb Bäder, Bädermanagement oder Bäderchef, ich habe nicht mitbekommen, aus welcher Abteilung er ist. Mehrere Herren von einer Partei, der genannte Bezirksbürger*innenmeister, ein weibliches Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Sport, eine Schwimmtrainerin/ Buchautorin.

Die gesamte Veranstaltung wurde von Dr. Oloew, Unternehmenssprecher der BBB, geleitet. Ihm mussten wir 3 G nachweisen. Nochmal deutlich: eingeladen hatte mich jedenfalls nicht die BBB! Es wurde mehrere Male während des Termins von Parteizugehörigen darauf hingewiesen, dass dies keine Marketing Veranstaltung der BBB sei!

Themen

die ich mitgebracht hatte:

Standortkonzept / wer und wie

Nachhaltigkeit / Abwasserwärme/ Solar

Baukosten / Gutachten/ Kostenberechnungen vorab

 

Themen der anderen:

Standortkonzept / Öffnungszeiten für wen

Attraktivierungsmodule / Nutzung/ Nutzergruppen

Baukosten / Kostenberechnungen

Nachhaltigkeit / Solar

(in willkürlicher Reihenfolge gelistet, gut erkennbar, dass es offensichtlich die gleichen Themen waren)

Umkleiden


Dr. Oloew  nannte anfangs den derzeitigen Kostenstand, ca. 15.5 Millionen Euro (12 waren vorgesehen)

Der federführende Architekt nannte als Berechnungsgrundlage "Erfahrungswerte", ein Gutachten, nachdem ich die BBB gefragt hatte, wurde negiert. Es gibt keine Kostengegenüberstellung Neubau- Sanierung

Der Herr von den BBB nannte als eine der wichtigsten Maßnahmen die Trennung der Wasserkreisläufe. Konkret, für Laien verständlich, heißt das, die Becken können mit unterschiedlichen Temperaturen betrieben werden. Laut Dr Oloew, das Sportbecken z.B. mit 26 Grad und das Babybecken (hat er so gesagt, ich weiß nicht, wo es das  dort geben soll, auf Nachfrage war nicht möglich. Hole ich nach) 32 Grad.

Auf Nachfrage, ob das Außenbecken schon in dieser Berechnung sei: nein. Spoiler: es wurde mit dem Bau auch noch nicht begonnen.

Das Außenbecken, so die Antwort auf Nachfrage, soll 135 cm flach sein. Der BBB Mitarbeiter: Dann braucht man draußen keine Aufsicht wenn es nicht so voll ist.


Nachhaltigkeit

Weil die Wassertemperaturen schon mal erwähnt sind, fragte ich, wie das Wasser beheizt werden soll. Thema Nachhaltigkeit (Spoiler: in Berlin wird nur eine von 37 Schwimmhallen mit Abwasserwärme betrieben).

Meine Frage richtete sich an die Sanierung ausführenden Mitarbeiter/ Architekturbüro. Ich bat um Antwort,  die eine Laiin versteht. Der Architekt erklärte, es gäbe in Berlin Vorschriften bezüglich Fernwärme.  (Spoiler:Ich habe die Antwort nicht verstanden, das Thema ist wohl einfach zu komplex,  und deshalb einen Termin mit einem Erklärbär (seine Worte) Fachmann zum Thema in zwei Wochen.)

Ein Herr fragte später noch,  ob es Solar auf dem Dach geben wird. Aussage des Herren vom Architekturbüro:  Nein, das Dach würde das nicht tragen können und eine Verstärkung (mein Wort) des Daches sei zu teuer, wenn man die zu erwartenden Energie Erträge  gegen rechnet.

Dr Oloew erklärte,  dass die BBB eine (größer gewordene) Summe von der Politik erhalte. Diese aber nicht annähernd ausreiche, um umfassend zu sanieren. Man, die BBB, müssten also entscheiden, ob sie (Zitat): "In allen Bädern etwas investieren oder ob sie ein Bad ganz schließen und mehr investieren" (Zitat Ende) In Tiergarten hätte man sich entschieden, mehr zu investieren aufgrund es Standortes.

Der Unternehmenssprecher führte dann als Gegenbeispiel die Neue Halle Charlottenburg an. Dort hätte man 2019 einen Dachschaden festgestellt und nicht saniert.  Spoiler: Das Bad in Charlottenburg ist aufgrund eines Dachschadens auf sehr lange Zeit nun auch geschlossen worden.

Dr. Oloew erwähnte, dass die Politik, Zitat:" Sanierung vor Neubau" stellt. Auf meine Nachfrage, wo das konkret nachzulesen ist: In den Dokumentationen des Abgeordnetenhauses.

Der Standort soll attraktiver werden

Als Attraktivierungsmodul soll es am Sprungbecken eine Kletterwand geben. Diese soll dann jeweils nur von einer Person genutzt werden können. Laut Dr Oloew gibt es diese Attraktion bereits in anderen Bädern. Auf meine Frage, seit wann, antwortete er, diese Art Attraktivierung hat man Anfang der 2000 er Jahre u.a. in Stuttgart eingerichtet.

Ein weiteres Attraktivierungsmodul soll eine Art Wintergarten sein. Persönlich finde ich das sehr hübsch umgesetzt, zwischen Beckenrand und Fenster, ohne bauliche Abtrennung, kann man dann dem Treiben im Becken, an der Kletterwand zusehen und natürlich, z.B. den eigenen Kindern zuhören, ihnen aufmunterndes zurufen etc.

Das Bild zeigt das Nichtschwimmbecken, hinten erkennt man die  neue, aufklappbare Fensterfront.


In diesem Bereich, also zwischen Nichtschwimmbecken und Fenstern, soll allerdings eine Gastro eingerichtet werden mit Zwischenwand. Die oben beschriebene Chill Zone  konnte ich nicht fotografieren, dort standen wir (keine Personen auf Fotos)

Die Dame von der Landesarbeitsgemeinschaft Sport stellte mehrfach Fragen zu geplanten Öffnungszeiten. Der BBB Sprecher gab dazu keine Auskunft.

Sie hatte, auch das wiederholt, darauf hingewiesen, dass Nutzer*innen nicht nur Schulen und Vereine seien, sondern auch die Bevölkerung vor allem des Bezirks. Welche Angebote zur Nutzung denen gemacht werden sollen.

Leider kam auch keine Reaktion auf diesen Hinweis.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Sport wollte wissen, welche Schulen und welche Vereine dort zukünftig schwimmen sollen. Dr Oloew verwies an die Bezirkssportämter zu diesen Fragen.

Dr Oloew hatte das Standortkonzept erwähnt, also dass die BBB planen, das Stadtbad Tiergarten aufgrund seines Standortes, Nähe zum HBF, zu einem der Hauptstandorte der BBB zu machen für die Öffentlichkeit (das war auch vor Beginn der Sanierung genau das Thema, das Bad sollte hauptsächlich der öffentlichen Nutzung dienen)

Wer erstellt ein Standortkonzept

Auf meine Frage antworte der BBB Sprecher, dass die Beiräte und die BBB das erstellen.Auf die Frage, wie die Interessen der Öffentlichkeit, also des allergrößten Teils der Bädernutzer*innen, vertreten sind in so einem Gremium, verwies Dr. Oloew auf die Beiräte.

Fakt ist, Bezirkssportbünde, unterbesetzt und mit sehr viel Arbeit belegt, haben bisher die Interessen der Schulen und Vereine vertreten. Spoiler: Mir wird seit 10 Jahren (Jubiläum am 01.12.21) von den BBB nicht mitgeteilt, wer in meinem Wohnbezirk wie und an welchen Terminen meine Interessen vertritt und wie ich oder andere sich einbringen können) Und in meinem Bezirk sind sehr kommunikative Menschen engagiert! An denen liegt das nicht

Meinung

Auf die wichtigsten Fragen kamen keine konkreten Antworten.

Nachhaltigkeit, Nutzungskonzept, Nutzergruppennennung, Öffnungszeiten  usw.

Das Standortkonzept ist ausschlaggebend bei Sanierungen dieser Art. Nur wer konkret die Zielgruppe, Ziele und Zukunftsbetrieb kennt und benennt, weiß, was man braucht um das Ziel/ die Ziele und die Zielgruppe/n zu erreichen.

Will man ein Vereinsbad, braucht man keinen Wintergarten. Will man ein  Bad für das Schulschwimmen, ist eine Kletterwand überflüssig. Will man neue Kund*innen gewinnen, vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen, braucht es aktuelle Attraktivierungen  und so weiter.

 Die  immer wieder von allen beteiligten Verantwortlichen erwähnten "Erfahrungswerte" lagen fast jedes Mal- in den letzten 30 Jahren- sowohl bei den Kosten als auch Zeitplan weit, sehr weit neben den sogenannten Erfahrungen.

Wenn

  • ein Paracelsus Bad statt 7 nun (Stand 2020) 17 Millionen kostet
  • ein Stadtbad Charlottenburg Neue Halle  unsaniert trotz Dachschaden nach  Corona Schließung auf unbestimmte Dauer komplett schließen muss
  • ein geplantes Außenbecken nur 135 flach, ohne Personalkosten eingerechnet in den 12 Millionen, die jetzt schon 15.5 Millionen betragen

die Realität sind, müssen "Erfahrungen" dringend auf den Prüfstand.

Die drei Beispiele sind nur die ganz aktuellen.

Meint, externe Gutachten zu tatsächlich zu erwartenden Kosten und Dauer für jedes Bad. Nicht der günstigste Anbieter, sondern der realistischste, das muss in Zukunft für unsere Bäder gelten.

Wenn, wie vom Unternehmenssprecher ausgesagt, "die Politik" Sanierung vor Neubau stellt, muss recherchiert werden, auf welcher Basis solche Prioritäten aufgestellt werden.

 

Hier, im Stadtbad Tiergarten, trägt das Dach keine Solarmodule.

Statt nun ein Dach eines Neubaus, der diese tragen könnte- oder andere, neue nachhaltige Energien nutzen- saniert man ein 80 er Jahre Bad mit ständig ausufernden Kosten. Der Preis für den Neubau ist also keinesfalls ein Argument. Ohne Standortkonzept und ohne die Wünsche der Anwohnenden und zahlenden Bäderbesucher*innen (die lt Sportstudie knapp 90% der Nutzer*innen ausmachen) einzubeziehen.  Was für eine überkommene Art mit Beteiligung, Nachhaltigkeit und,  vor allem, mit den Bezirkspolitisch Engagierten umzugehen.

 Die Sportstudie ergab, dass knapp 90% der Berlinerinnen und Berliner ihren Bäderbesuch individuell organisieren.

Es muss Bürgergutachten geben (siehe z.B. Bonn) und vieles mehr. Hinter verschlossenen Türen war gestern!

Zukünftig müssen

Veranstaltungen dieser Art

der  interessierten Öffentlichkeit unbedingt regelmäßig angeboten werden. Natürlich zu allererst, um zu informieren, aber auch um die Steuer finanzierten Projekte von eben jenen Steuer Zahlenden auch kontrollieren zu lassen.

Eine Option ist es, dass die Berliner Bäderbetriebe zukünftig über ihre Social Media Kanäle dazu einladen, über ihr analog herausgegebenes Blatt, über Webseite, Pressemitteilungen und vor allem mit Infoblättern an die Anwohnenden. Außerdem natürlich unbedingt in die Schulen gehen. So interessiert man Menschen, die vielleicht dann für die BBB oder in den  am Bau beteiligten Firmen arbeiten/ ausgebildet werden wollen.

So ein Termin ist sehr schnell zu etablieren, in dem man z.B.  den ersten Samstag im Monat/ Quartal um X Uhr einen Jour Fixe einrichtet. Teilnehmendenzahl angeben- wer zuerst anmeldet ist dabei- fertig.

Man kann unterschiedliche Gewichtungen machen, Nutzungskonzept, Baustellentechnik etc.

Bäderbetrieb

soll Bäder betreiben!

Und deshalb verschlankt werden.

Sanieren muss zukünftig anders laufen. Zum Beispiel über eine  direkt (von Berlin) zu finanzierende (gemeinnützige) GmbH oder einen zu gründenden Landesbetrieb.

Vor allem aber muss die Wasserflächenvergabe zukünftig transparent und entsprechend der Nutzungswünsche der Berlinerinnen und Berliner gestaltet werden.

Offenes Gremium, Beteiligung der Öffentlichkeit.

Die attraktivsten Bäder sind die, die  geöffnet, gepflegt, mit funktionierenden Nutzgegenständen: Kabinen, Bänken, Spinde, Schlösser, Schlüssel, Toiletten, Duschen, Türen etc oder wenigstens gesperrte Bereiche, so dass die geneigte, in Eile (Zeitfenster) befindliche Schwimmerin nicht in zig Gänge vergeblich rennt, um eine heile Kabine und Spinde zu finden.

Wer sich in Berliner Bädern aufhält, findet nicht nur Öffnungszeiten,  die den Anschein erwecken, Her Bademeister¹ himself entscheidet, wann auf und wann zu ist. Ranzige Umkleiden, kaputte Schlösser, Kabinen ohne Türen, Fliesen, deren Pflege sie schöner erhalten hätte und das Gegenteil. Nämlich uralte Bäder, Ersatzteile nicht mehr erhältlich im Original, aber sichtbare Bemühungen, sofort alles zu reinigen, reparieren und zu würdigen.

Es ist Aufgabe der Berliner Bäderbetriebe die Bäder betriebsbereit zu machen und zu halten. Alles andere muss sich in Zukunft anders gestalten lassen!°

1:  Synonym für  eine frühere Entscheidungsgewalt. Selbstredend ist damit kein Mitarbeiter bei BBB in Bädern gemeint.

Aus 2019 zur Sanierung Tiergarten

Das erwähnte Bürgergutachten Bonn als PDF

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