Rad fahren in Berlin- An der ehemaligen Mauer entlang

Seit nun einem Monat fahre ich wieder mit dem Fahrrad.

Ein gemietetes, ein eigenes ist finanziell leider (noch) nicht leistbar. Naja, und das Mieten ist auch ein guter Test, ob ich nach gut 20 Jahren überhaupt wieder in dieser Stadt fahren will.

Spoiler: Nö, von wollen unter diesen Umständen kann gar keine Rede sein.

Aber ich will Rad fahren, weil es mir Spass macht, etwas unabhängiger von Bussen und Bahnen mit Menschen ohne Abstand, ohne Anstand und ohne Maske zu sein. Und weil Rad fahren an sich mich in Berliner Ecken führt, die ich sonst- also mit der Orientierung der Busfahrer*innen- eher nicht sehen würde.

Und was hat das mit schwimmen zu tun?

Nichts oder nur insofern, dass ich im Anschluss das Schwimmbad aufsuche, das am nächsten dran ist oder wie Anfangs, andere Wege zum Sommerbad zu nehmen als die mir bekannten. Immer mit einem Ausflugsziel vor dem Schwimmen. Erst nur auf dem Weg zum Schwimmbad, mittlerweile auch weiter abseits.

Und ja, oft sind es Parks mit Teichen, Flüssen, Pfuhlen darin. Ohne Wasser kann ich eben auch nicht Rad fahren.

Also Rad fahren, um den Teich, die Mühle, Bunker etc. walken, Rad fahren, schwimmen. Mit dem älter werden werde ich wohl immer bewegungssüchtiger.

In loser Abfolge werde ich über meine Erfahrungen und Erlebnisse beim Rad fahren erzählen. Das zweite Thema dem Anlass folgend.

Am 13.08.1961 wurde die Berliner Mauer gebaut. Der irre Grenzwall, an dem Menschen ermordet wurden und ein Schießbefehl galt. Das war grausam. Und ist vorbei.

Ich habe hier an die Schicksale der Menschen erinnert, die in die Freiheit schwimmen wollten

Drei Mal 25 Kilometer auf dem Berliner Mauerweg

Ok, nicht ganz. Ich bin an der ehemaligen Mauer entlang, teilweise ohne den offiziellen Mauerweg zu nutzen.

Unterschiedliche Welten. Während man in Berlin West bis an die Stadt- und Staatsgrenze gebaut, gelebt und gearbeitet hat, hatte die DDR ihre Bürger so weit möglich von der Grenze fern gehalten. Und das nicht nur innerstädtisch mit den bekannten, zugemauerten Fenstern und entsiedelten Häusern...

Noch heute an vielen Stellen faszinierend. Man verlässt die Strasse und steht auf dem Feld in Brandenburg. Ich hoffe, das bleibt so.

Der Kanal, der Welten trennte

Am Freitag, dem 60 Jahrestag des Mauerbaus, bin ich an den Britzer Verbindungskanal gefahren. Dort wurde ein 17 jähriger Junge mit 61 Schüssen getötet im Wasser. Nur wenige Meter über den Kanal und doch so weit war der Weg in die Freiheit.

Traurig, dass es dort keine Stele oder etwas gibt, was an Hans Joachim Wolf erinnert (an der Gedenkstätte Berliner Mauer wird seiner gedacht).


Die dortige Karte ist leider auch schon so alt, dass dort "Britzer Allee" steht, obwohl die Straße "Chris Gueffroy Allee" heißt und die Brücke auf der man steht auch nach ihm benannt ist.  Chris, ein junger Mann von 20 Jahren, der das letzte Maueropfer war.Getötet am 05.02.1989

Die Stele für ihn befindet sich auf der anderen Seite der Brücke, am Mauerweg.


Es war echt viel los, mit einigen dort lang gehenden Menschen kam ich ins Gespräch. Sie alle wussten, dass sie auf dem Mauerweg waren.Kaum einer beachtete die Stele und von dem grausam getöteten Teenager wusste keine Person.

Bunte Hitparade der Läufer*innen und Radfahrenden

So ganz anders war die Stimmung und das Bild am Samstag an der Grenze zwischen Neukölln/ Lichtenrade und Brandenburg.

Meine App nennt holprige Waldwege "Single Trail".  Ich hab noch nie so viele Menschen in bunter Laufkleidung (nein, ich habe nichts gegen bunte Lauf/ Sportkleidung, ich trage sie selbst) durch den Wald rennen sehen. Nix "Single= Allein"

Bei einer Pause habe ich gezählt, in 10 Minuten 34 Personen. Und da waren die auf dem Rad noch nicht dabei.

Ich hatte, ziemlich doof, mein Rad am Weg abgestellt. Als ein Radfahrer um die Ecke bog, meckerte er zu recht "mitten auf dem Weg" Ich rief" stimmt, doof, tut mir leid" Das provozierte ihn zu weiteren, blöden Rufen. Er war nicht gefährdet oder so, ich stand halt hinter einer Kurve und der Typ musste weder ausweichen noch bremsen. Naja.

Der Blick nach Brandenburg und der auf das urbane Berlin vom Feldweg aus entschädigte für vieles, was man auf dem Weg dort hin so erlebt mit Autofahrenden.


Das zerstörte Dorf

Die beeindruckendste Tour habe ich Sonntag gemacht.

Zum zerstörten Dorf Osdorf.

So eine irre Tat kann nur von Menschen geplant und durchgeführt werden, die sich von jedem demokratischen Denken verabschiedet haben.

Die Geschichte muss ich hier nicht neu niederschreiben.

Hier kann man vieles nachlesen.

Das Dorf Osdorf war dem Regime der DDR zu nah an der Grenze. Man traute den Bewohner*innen nicht, also machte man ein ganzes Dorf platt und siedelte die Menschen um. Nach Heinersdorf.

Ein Dorf, das 650 Jahre existierte zu zerstören, darauf kommen nur Machthabende, die eine Bevölkerung unterdrücken oder Land ausbeuten wollen.

Man findet, wenn man genau schaut, im Wald noch Überreste von Häusern. Überwuchert und natürlich nicht mit dem Rad zu erreichen.

Und man hat einen tollen Blick auf Berlin.

Auf dem Gut Osdorf gibt es noch Tiere, aber Hofladen und andere Aktivitäten sind eingestellt.


Wie erholsam es ist, quasi durch Wald, Feld, am Kanal und sogar an der ätzenden Autobahn entlang zu fahren ohne dauernd angehupt, beleidigt und abgedrängt zu werden. So macht Rad fahren echt Spass.

Und wenn am Ende die Abkühlung in einem Freibad steht, ist es um so schöner.


Rad fahren in Berlin Teil 1: Immer lande ich an Kleingartenanlagen