Kann man noch ins Freibad, in Berlin?

Das fragen sich momentan viele. Verunsichert von Schlagzeilen wie "Gewalt im Freibad", "Massenschlägerei im Berliner Freibad".

Spoiler: ja, natürlich kann man noch ins Freibad. Auch in Berlin.

Als Familie, auch als Großeltern mit den Enkeln.

Ok, als Schwimmerin oder Schwimmer oft nicht, aber auch das wäre möglich wenn...

Was ist los?

Eskalierende Streits, Gewalt und verletze Menschen, überforderte Mitarbeitende in Bädern und eine Security, die machtlos scheint und ich sage dennoch, ja, ein Freibadbesuch ist möglich.

Um Menschen Sicherheit zu geben und die Mythen, dass "früher" alles besser war, auszuräumen, muss der Berliner Bäderbetreiber allerdings endlich mit seinen Mythen ehrlich umgehen.

Die teilweise wirklich schon albern wirkende Mauerstrategie muss aufhören.

Was ist eigentlich das Problem?

Manche fragen sich, warum es in Berliner Freibädern öfter zu eskalieren scheint, als in anderen Städten.

3,5 Millionen  Menschen.

12 vom Größten Bäderbetreiber Europas betriebene Freibäder und 1Strandbad geöffnet, 2 Kinderbäder. 2 Freibäder noch geschlossen.

Eingeschränkte Öffnungszeiten, eingeschränkte Wasserbecken, gesperrte Sprunganlagen, keine regelmäßigen Angebote für Kinder und Jugendliche ²

Und gefühlt  alle Berlinerinnen und Berliner stürmen bei entsprechenden Temperaturen in Freibäder. Und zwar in weniger Freibäder¹, die kürzere Öffnungszeiten haben als zu Zeiten, in denen Berlin weniger Einwohnende hatte.

Das ist was anderes als eine Kleinstadt, in der sich 20 Tsd Personen in drei Freibäder  verteilen.

Was führt zu Regelbruch, Ignoranz und Alltagsegoismus

An jedem Ort, an dem sich mehr Menschen befinden als dem, begrenzten, Ort gut tun, eskalieren Situationen schneller als an Orten, deren Zugang reguliert und begrenzt ist.

Schneller, das heißt nicht, dass es an anderen Orten mit reguliertem Zugang nicht eskalieren kann.

An jedem Ort an dem das Übertreten von Regeln und Gesetzen nicht geahndet, weil nicht kontrolliert, wird, ist der Weg zu Straftaten kurz.

Ein gutes Beispiel ist das Auto fahren und parken auf Gehwegen wo es nicht gestattet ist und andere in Gefahr bringt.

Das passiert täglich hundertfach in Berlin (und anderswo, aber ich möchte mal bei Berlin bleiben). Warum? Weil es zu wenig bis gar nicht geahndet wird.

Ein anderes Beispiel ist die illegale Müllentsorgung. Man muss gar nicht von der alten Matratze auf der Straße oder im Park anfangen, es reicht zu sehen, dass Mitarbeitende eines Spielzeuggeschäfts vor der Tür rauchen und ihre Kippen auf den Gehweg werfen und ihre to go Becher auf die Straße. Kann man straffrei tun, Jahre lang.

Spricht man Personen an, werden diese häufig aggressiv, ziehen alles ins Lächerliche oder kommen mit der Aussage "machen andere ja auch"

Es ist also für diese Leute "nicht so schlimm" die Umwelt zu vergiften, Menschen in Lebensgefahr zu bringen, sie auf die Fahrbahn zu zwingen und so weiter.

Sie fordern "Toleranz" für ihren Egoismus, sind aber ganz vorn mit dabei, wenn es darum geht, anderen die Verantwortung für Eskalation zuzuweisen.

Sie sind Teil der Eskalation der Verwahrlosung. Der äußeren und der inneren.

Viele scheinen davon auszugehen, alles überall machen zu dürfen und wer auf Regeln aufmerksam macht, wird sofort als kleinkariert, der Denunziation beschuldigt, beleidigt, bedroht  und im schlimmsten Fall gewalttätig angegangen.

Die Überzeugung (zu) vieler alles überall zu dürfen und  "die anderen" schweigen. Und das meint insbesondere das Schweigen in Form von nicht die Polizei rufen, niemand muss Held*in sein!

Frustrationstoleranz

Wer meint, alles überall zu dürfen, wundert sich im besten Fall, dass andere genau das auch meinen,  im schlechteren Fall eskaliert es.

Wer meint alles zu dürfen, meint das immer für sich, nicht für "die" anderen.

Schmeißt also Person A ihre Kippe achtlos in den Park, soll der Rest der Parkbesucher*innen das hinnehmen. Es ist voll. Decke an Decke. Zufall, dass die Kippe ins Gebüsch und nicht auf Nachbarinnens Decke flog.

Eine andere Person schnippt beim Schlendern ihre Kippe, unbeabsichtigt und  achtlos auf die Picknickdecke der Person A. Das wird Person A in den seltensten Fällen unkommentiert hinnehmen. Müsste sie aber, denn sie tat das Gleiche mit dem Eigentum der Gesellschaft.

Was wird wohl passieren? Bei Menschen mit niedriger Frustrationstoleranz wird es aggressiv, womöglich gewalttätig. Wie werden andere reagieren? Die auf der Picknickdecke, die Begleitung der Person, die die Kippe auf die Decke geschnippt hat, die anderen Parkbesucherinnen und -besucher?

Genau. Es kann eskalieren, wenn zu viele Personen mit niedriger Frustrationstoleranz an einem Ort sind, weil sich die Einen im Recht sehen, obwohl es niemand ist im geschilderten Beispiel.

Vermeintliche Solidarität mit der einen oder der anderen Seite und schon gibts eine Massenschlägerei.

Die im Großen und im Kleinen an jedem Ort passieren kann.

Zurück zum Freibad. Dem Ort, an dem alle gleich sein sollen. Das war und ist Sinn einer kommunalen "Badeanstalt".

"Früher" war es auch so, dass Situationen in Bädern eskalierten. Prügeleien zwischen Vätern, zwischen Jugendlichen. Es gibt unzählige Zeitungsberichte darüber in Archiven. Und auch Polizei in Badehose und Sicherheitsmitarbeitende gab es schon in den "früheren" Zeiten.

Freibäder sind nicht außerhalb der Welt und genau das muss der Berliner Bäderbetreiber mal klar kriegen.

Es wird Jahr um Jahr so getan, als gäbe es das alles nicht in Bädern, es wird runter gespielt, verleugnet, auf die Hitze, den nicht funktionierenden Online Shop oder andere Absurditäten geschoben.  Ängste werden ins Lächerliche gezogen, ob man vor Ort um Hilfe bittet, Vorschläge macht oder ob man sich per Mail an die Verwaltung wendet.

Konsequenzen, Strategien,Kommunikation,  da sucht man vergeblich.

Mehr Sicherheitspersonen sind keine Dauerlösung.

Wie war das, 172 Security Personen? Auf 15 Bäder? Lachhaft, ja. Wie wäre es denn mit 100  pro Bad? Auf 4000 Bäderbesucher*innen? Die in der Hitze bereits 1 Stunde angestanden haben, am Imbiss wieder 45 Minuten stehen und im Wasser angesprungen werden?

Es ist absurd, zu glauben, mehr Sicherheit zu bekommen, wenn man grundsätzliche Dinge außer acht lässt. Will man 1500 Sicherheitspersonen 3000 zahlenden Besucher*innen gegenüber stellen?

Was hat das Tragen von Schuhen im Barfußbereich mit eskalierender Gewalt zu tun?

Hä, das werden sicher jetzt einige denken. Solln das?

Es ist ganz einfach.

In einem ansich recht leeren Schwimmbad kommen die 2 älteren Damen morgens um halb neun, latschen mit Schuhen durch die Dusche trotz riesiger  Verbotsschilder. Sie sitzen dann 30 Minuten unbehelligt auf der Bank am Beckenrand und rauchen gemütlich eine Kippe.

Ja. Verboten.

Ist ja nicht voll, belästigt ja nur die eine Schwimmerin im Wasser. Soll sich halt nicht so haben.  Und die Dusche in einem Schwimmbad in dem sich 3 Personen befindet sieht aus als wären Pferdekutschen durchgefahren...Regen, Dreck von draußen, Duschboden...

Kann ja die Reinigungskraft sauber machen. Die, die erst um 12 kommt, weil an einem Regentag nicht so viele zahlende Kund*innen erwartet werden. Die, die da sind, kommen ja sowieso. Muss man nicht auf Sauberkeit oder gar Regeln achten.

Diese Damen sitzen mittags, wenn die Sonne doch noch raus kommt, auch am Beckenrand und rauchen. Herren auch, aber ich bleib mal bei dem (realen!) Beispiel.

Und nun kommen 22 Jugendliche. Mit Schuhen. Und rauchen. Und weil sie es können, springen sie vom Rand. Vor die 2  Damen, die nun zum dritten Mal für 3 Minuten im Wasser sind.  Die regen sich auf. Über rauchende Jugendliche, mit Schuhen, die am Beckenrand rauchen und ihnen vor die Nase springen.

Sonntag, 33 Grad, 5000 Menschen, darunter die 2 Damen und die 22 Jugendlichen

Die sich unter den 5000 Menschen so verhalten wie gestern "Ham wir doch gestern auch gemacht".

Und ein nicht kleiner Teil der 5000 tut exakt, was die 2 Damen und die 22 Jugendliche gestern getan haben und heute tun, weil es "schon immer so ging"

Latschen die beschriebenen Damen mit Schuhen durch die Dusche, bittet man sie, das zu unterlassen. Tun sie es wieder, raus mit ihnen. 1 Tag Hausverbot. Beim nächsten Besuch renitent? 1 Jahr Hausverbot.

Rauchen sie, wo es verboten ist (schon mal beim schwimmen, also verstärkter Atmung Rauch eingeatmet?), verweist man sie sofort vom Beckenrand.

Diskutieren die Damen? Raus. Es gibt keine Diskussion um Regeln für ein gutes Erleben für alle in der Gemeinschaft.

Mit Jugendlichen verfährt man ebenso, gegebenenfalls erklärt man das Warum.

 

Lange Rede- kurzer Sinn: Regeln müssen eingehalten werden.

Das was der Berliner Bäderbetreiber und seine ausführenden Mitarbeitenden tun ist kontraproduktiv, von Angst geprägt und der respektlose Teil der Gesellschaft lacht darüber und tanzt ihnen auf der Nase rum. Die anderen bleiben dann weg. Und einige ätzen dann rum, dass man in kein Freibad mehr gehen kann, meist die, die seit ihrer Kindheit in keinem mehr waren.

Am schlimmsten finde ich Äußerungen wie die des Präsidenten des Verbands der Schwimmmeister, der meinte, er würde mit seinen Enkeln nicht in ein Freibad gehen. Job verfehlt, denn es liegt an solchen Leuten, dass sich die Zustände wieder ändern. Wer sich darauf zurück zieht, dass X oder Y ja nicht geht, weil, will nix ändern. Bleib halt weg  und hör auf, Angst bei anderen zu schüren, die du selbst hast, wenn du Regeln durchsetzen sollst.

Was kann Lösung für das Problem sein?

Vielschichtiges Problem= vielschichtige Lösung

 

  • Zugang regulieren- Zeitfenster wieder einführen
  • Ohne Zeitfenster= weniger Menschen einlassen
  • Zugang kontrollieren durch täglich wechselnde Mitarbeitende an den Eingängen
  • Kein Einlass ohne Ticket für Verwandte, Freunde, Bekannte (gebt doch 1500 Freikarten gesamt aus, so dass die Personen mitgezählt werden in den einzelnen Bädern)
  • Sämtliche Kassen öffnen, Ferienpass Einlass gesondert regulieren
  • Widersinnige Regeln lassen oder den Widersinn abschaffen. Keine Glasflaschen? Super, dann aber auch keine im Imbiss ausgeben, Damit latschen viele überall hin
  • Alle Sprunganlagen für Kinder & Jugendliche öffnen
  • Taschenkontrollen richtig durchführen- es ist albern, auf Taschen rum zu drücken und nicht gestattet, fremder Leute Taschen zu durchwühlen
  • In Wasserbecken Regeln einfordern. Wer die Leinen raus nimmt, weil Leute darauf rum turnen, hat ein ganz anderes Problem als nur turnende Leute. Wie will man sich Respekt verschaffen, wenn man akzeptiert, dass andere einem auf der Nase rum tanzen? Ich komm dann also demnächst mit einem Flashmob von 200 Schwimmerinnen in ein Bad und ziehe Leinen ein. Kann man ja nix gegen machen, ne!
  • Leute, die meinen sportlich zu schwimmen, aber  in einer vollen Bahn mit Flossen, Paddles und Co hantieren, sind keine Sport treibenden. Sie sind rücksichtslos. Raus. Regeln wie "bis zu 5 Personen= Paddles & Co erlaubt, sonst nicht"
  • Regelübertretungen müssen geahndet werden, im Kleinen, wenn sie größer werden, wird man das Geschehen nicht mehr kontrollieren.
  • IMMER die Polizei anrufen, wenn trotz klarer Ansagen, Verweisen, das Geschehen nicht zu regulieren ist

Was geht nicht?

Zutritt grundsätzlich verwehren, wie einige ja vorschlagen,  kann man nur denen, die Hausverbot haben.

Das kommunale Freibad ist ein Ort für alle.

Was kann man zusätzlich machen?

Man könnte aber "Familientage" einführen. Sonntag ab 12 Uhr nur noch Familien mit Kindern. Freitags von 12-18 Uhr nur 12 bis 18 Jahre. Samstag ausschließlich Kinder unter 14 in Nichtschwimmbecken.

Man könnte das Schwimmen  auch bei 30 Grad möglich machen, z.B. 7-8 Uhr, 10-11 Uhr, 13-14 Uhr usw, beaufsichtigte Bahn, mit Anmeldung, damit es nicht zu voll ist. Anderswo geht das auch, ganz ohne C sogar 'früher'.

All das kann meiner Meinung nach dazu beitragen,  einen qualitativ guten Freibad  Besuch für mehr Menschen zu ermöglichen.

Was auch immer, alles, was den Freibadbesuch friedlich macht. Jede Eskalation kann man nicht verhindern. Klar, aber man kann Orte besser machen.

Muss man als Bäderbetreiber wollen. Und es geht, denn es gibt eine große Anzahl Mitarbeitende, die sich nicht wegdrücken, die sich in die Sonne stellen, die Pfeife am Hals und ein Kind nach dem anderen springt, keins gefährdet das andere, einfach weil da ein Mensch steht, der es drauf hat...

Wer Gründe findet statt Lösungen, wird nix ändern.

Die Schlagzeilen lassen es so scheinen, als wäre der Freibad Besuch immer mit eskalierender Gewalt verbunden

Nein. Die allermeisten Freibad Tage verlaufen friedlich. Laut, wuselig, voll, eng, auch Streit, aber friedlich!


¹Ich spreche ich hier ausnahmsweise mal von "Freibädern" und meine sämtliche Anlagen, die ohne Dach mit Infrastruktur als Badeanstalt bezeichnet werden können. Also (frühere) Flußbäder, Strandbäder und Freibäder.

Es gibt noch weitere 10 Strandbäder, privat betrieben, Einritt außerhalb des kommunalen Tarifs,  es gibt Seen und kostenfreie Badestellen ohne Infrastruktur.

²Regelmäßig meint, mindestens an 1 Nachmittag die Woche speuielle Angebote,  Animationen, Spielzeug in Planschbecken, täglich, geöffnete Sprungbretter.

Das kann nicht den engagierten Mitarbeitenden überlassen werden, wenn sie mal die Zeit dafür haben. Es muss ein verlässliches Angebot geben.